Concordia, Kreuzschifffahrtsboom und menschliche Hybris
Das Unglück der Costa Concordia wirft kritische Fragen zu dieser Art des Tourismus auf. Mit aktuellem Interview.Costa Concordia und die Folgen
Oben: Die noch heile Costa Concordia in Barcelona, wenige Tage vor der Katastrophe
Der Unfall der Costa Concordia ausgerechnet in der Nacht des Freitag des 13. Januar und im 100. Gedenkjahr des Unterganges der Titanic, lässt aber doch inne halten und kritische Fragen stellen. Da ist einmal die Sicherheitsfrage an Bord. Da wurden bisher anscheinend so lala Rettungsübungen durchgeführt, nicht nur auf der Concordia, das berichten Reisende auch von anderen, ähnlichen Kreuzfahrtriesen (siehe Interview unten). Das ist lästig, das sind schließlich Vergnügungsdampfer und so ein ernstes Thema könnte ja die Stimmung beeinträchtigen. Also macht man mehr Events daraus mit Fotostunde. Wenn dann noch ein Macho-Kapitän hinzu kommt, der die offizielle Route wegen eitler Begrüßungsrituale verlässt - dann steigt das Unglücksrisiko verhältnismäßig hoch an. Es kann 100 Mal gut gehen, aber beim 101. Mal eben nicht.
Wo bleiben Sicherheit und Umweltschutz?
Da stehen die großen Veranstalter in einem harten Preiskampf gegeneinander und unterbieten sich bei den Reisepreisen, was etwa bei schlecht ausgebildetem und ebenso bezahltem Hilfspersonal wieder herein geholt werden muss. Da muss auch hart gerechnet werden bei den Liegegebühren in den Häfen, weshalb dann mal für Landausflüge wie zum andalusischen Málaga etwa ein Nettoaufenthaltszeit von ganzen vier (!) Stunden bleibt. Für Barcelona und Teneriffa auch kaum mehr. Andere markante Hafenstädte wie das südfranzösische Marseille oder das malerische Cádiz, Europas älteste Stadtgründung, bleiben bei der West-Mittelmeer-Kreuzfahrt gleich ausgespart. Landgänger erhalten (gegen Aufpreis) nur einen flüchtigen Blick aus dem Bus auf schöne Hafenstädte, da bleibt keine Zeit, um mal in der Innenstadt zu bummeln, einzukehren und beim heimischen Einzelhandel Souvenirs zu erwerben, da heißt es: hopphopp, zurück auf die fahrenden Hotelstädte und All-inclusive-Ghettos. Dort sollen die Leute fest gehalten werden und ihr Geld ausgeben für Extras und weniger "Land und Leute" kennen lernen.
Das Ganze können sie ähnlich an Land in den All-inclusive-Anlagen auch haben. Sogar noch umweltschonender, weil dann kein Kraftstoff beim Herumschippern verbraucht wird. Der besteht auch noch aus Schweröl, das zwar einerseits ein Abfallprodukt der Erdölverarbeitung ist, aber bei einem Kentern eben zusätzlich Umweltgefahren bedeutet.
"Entschleunigen" könnte so ein Wort des Jahres 2012 werden und: small is beautiful. Vielleicht hilft ja die Katastrophe der Concordia, auch darüber mal nachzudenken, während gerade eben noch ein Schiff für 6.000 Passagiere gebaut wird.
Aktuelles Interview aus Anlass des Concordia-Unglückes - „Ich wäre am liebsten gleich im nächsten Hafen ausgestiegen“
Málaga. Da liegt es riesig an der Mole im Hafen von Málaga: Das Kreuzfahrtschiff "Fantasia" (Bild links), ebenfalls mit 4.200 Passagieren an Bord, ebenfalls mit italienischer Besatzung von der Konkurrenzreederei MSC, eine schwimmende Kleinstadt mit allem Luxus eben. Wir trafen das deutsche Ehepaar Andrea und Thomas R., 48 Stunden nach dem Unglück der Costa Concordia. Eigentlich sollte es ein privates Freundestreffen werden, das war schon lange abgemacht, aber die Katastrophe überschattete unsere Gespräche bei ihrem Landgang.
Haben Sie denn unterwegs auf Ihrer Kreuzfahrt von dem Unglück erfahren?
Thomas R.: "Das haben wir über Fernsehen ziemlich bald gewusst. Doch auf unserem Schiff gab es keine offizielle Information darüber, das wurde tot geschwiegen, angeblich, weil man uns nicht noch mehr beunruhigen wollte." Und seine Frau Andrea ergänzt aufgeregt: "Dabei sind wir vorher auf unserer Fahrt von Barcelona weg an genau diesem Schiff, das in der Gegenrichtung unterwegs war, eben Richtung Rom, etwa 10 Meter vorbei gefahren - mit großem Hallo, gegenseitigem Winken und Fotoknipserei hin und her!"
Was war ihr erster Gedanke, nachdem Sie von dem Unglück erfahren hatten?
Andrea: "Ich wollte gleich am nächsten Hafen aussteigen! Aber das ging ja nicht, wir waren auf hoher See!" Ihr Mann Thomas, ein Software-Entwickler mit Pilotenschein, sieht es etwas gelassener: "Ich gehe nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung davon aus, dass das jetzt nicht mehr so schnell passiert." Andrea: "Das sagst Du, aber auch nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung kann es morgen wieder passieren."
Wie waren denn Ihre Sicherheitsvorkehrungen auf Ihrem Schiff beziehungsweise die Rettungseinweisung?
Andrea: "Genauso oberflächlich. Die Sicherheitsübung fand auch nicht draußen bei den Rettungsbooten statt, sondern in der Bar, nicht einmal alle von uns hatten ihre Schwimmwesten dabei, dafür aber wuselte der Bordfotograf um uns herum und schoss Fotos, die man dann für circa 13 Euro pro Stück kaufen kann."
Wo geht es denn jetzt im Anschluss an Málaga hin?
Andrea: "Eben nach Civitavecchia, dem Hafen von Rom wie die Concordia! Aber wir vermuten stark, dass unser Kapitän jetzt nicht so nahe an der Küste entlang fährt."
Ist das Ihre erste Kreuzfahrt und würden Sie wieder eine solche Reise unternehmen?
Thomas: "Das ist unsere zweite Kreuzfahrt, die erste ging ins östliche Mittelmeer und diese eben in den westlichen Teil. Wir würden schon wieder mit einem Schiff reisen." Andrea: "Ich gehe mal davon aus, dass aufgrund dieser Ereignisse jetzt auf allen Kreuzfahrtschiffen zumindest in nächster Zeit die Sicherheitsvorkehrungen verschärft werden."
Rechts: Die "Fantasia" legt wieder ab aus Málaga
Bildquelle:
a.sansone
(Weihnachten in den Bergen)
a.sansone
(Lechweg - Wie es ist an einem Wildfluss zu wandern)
Eigenwerk
(Kann man im Sommer auf die Zugspitze?)