Das Rokoko: Epoche der verspielten Kunst und des galanten Stils
Spielerische Verzierungen und verfeinerter Prunk in allen Kunstrichtungen kennzeichnen den Rokoko-Stil. Das dazugehörige Lebensgefühl war oftmals Fassade.Die "Geburt" des Rokoko
Die Entstehungszeit des Rokoko lässt sich auf die Zeit um 1720 beziffern. Der Begriff wird meist als Ableitung des französischen Wortes rocaille gedeutet und umschreibt sinngemäß eine steinerne, muschelförmige Bauweise.
Es erscheint beinahe als selbstverständlich, dass jene "Herrschaft des galanten Stils" in Frankreich begann. Immerhin war das Land in dieser Zeit der kulturelle Vorreiter Europas. So verwundert es nicht, dass sich hier die prächtig überladene Barockzeit zuerst erschöpfte. Auf der Suche nach neuen, nicht weniger bescheidenen Formen und Gestaltungsmöglichkeiten entstand so das Rokoko. Prunkvolles wurde feiner, zierlicher und eleganter. Dennoch sind beide Stile nicht immer eindeutig voneinander abgrenzbar.
Dresdner Frauenkirche im Barockstil
Rokoko in Architektur und Malerei
Am deutlichsten zeigt sich der Unterschied bis heute wahrscheinlich an den baulichen Hinterlassenschaften beider Epochen. So fällt beispielsweise bei einem Vergleich der Dresdner Barockbauten mit der Schlösserlandschaft im Potsdamer Park Sanssouci auf: Das wuchtige Barock gibt sich repräsentativ, selbstbewusst und prachtvoll. Rokoko-Bauwerke hingegen kommen mit schlichteren Formen aus. Ihr Schwerpunkt liegt auf vollendeter Ausgestaltung und spielerischen Verzierungen. Oftmals sind es eher ländliche Schlösschen, nicht prunkvolle Residenzen. Verstrahlt das Barock seinen reichen Glanz mehr nach außen, so fasziniert im Rokoko die Perfektion der raffinierten Innenausstattung mit Stoffen, Spiegeln, Wandmalerei und Plastiken.
Auch die Malerei dieser Zeit ist eher schmückendes Beiwerk, eingegliedert in das Gesamtkonzept. Sentimentale Darstellungen der Natur und der Mythologie zieren die Säle als Kulisse rauschender Feste. Die großen Maler dieser Epoche kommen (wenig überraschend) aus Frankreich: Fragonard, Boucher, Watteau und Chardin. Zeitgemäß findet sich in deren Werken oftmals eine heitere Leichtlebigkeit bis hin zur frivolen Erotik.
Potsdamer Schloss Sanssouci im Baustil Rokoko
Friedrich der Grosse: Der König und seine Zeit | Musik In Sanssouci | Perücke Sanssouci, blond |
Bach wirkte in der Übergangszeit von Barock zu Rokoko
Rokoko in der Musik
Auch die Musik des Rokoko diente selbstverständlich vor allem der Untermalung. Sie war im wahrsten Sinne lediglich Begleitmusik des leichten Lebensstils. Die rauschenden Barockwerke wurden im Rokoko durch zierliche, verspielte Themen abgelöst. Noch immer nahmen Cembalo und Violinen zwar einen zentralen Platz ein, doch gekrönt wurde die Orchestermusik nun zunehmend durch virtuose Flötenklänge. So ließ es sich beispielsweise der preußische Soldatenkönig Friedrich II. nicht nehmen, bei Konzerten gelegentlich selbst das zentrale Soloinstrument Querflöte zu spielen...
Der Musikwissenschaftler Kurt Pahlen nannte die Rokoko-Musik einst "die anscheinend kürzeste Musikepoche" der letzten zweitausend Jahre (1), denn ihre Blütezeit währte gerade einmal rund 50 Jahre. Im deutschsprachigen Raum waren die großen Meister dieser Ära Carl Philip Emanuel Bach, Joseph Haydn und natürlich der unvergleichlich geniale Wolfgang Amadeus Mozart.
Musikzeile Musiknoten Notenschlüssel Krawattenn... | Die große Geschichte der Musik, Sonderausgabe | Porzellanfigur Büste Haydn |
Rokoko: Im Wesentlichen ein Dekorationsstil
Selbst die alltäglichsten Dinge wandelten sich im Rokoko zur reinen Fassade. Die Suche nach der perfekten Mischung aus Genuss, Eleganz und Pracht bestimmte das Lebensgefühl der Wohlhabenden. Waren beispielsweise Stühle bisher repräsentativ, aber unbequem, so wurde nun das Design schwungvoll, farbenfroh und zugleich komfortabel. Die voluminösen Perücken des Barock wiederum wandelten sich zu eleganten, kleinen Haarteilen und endeten in Schläfenlocken und einem pfiffigen Zopf. Porzellan und filigrane Kunstwerke erfreuten sich anhaltend hoher Nachfrage. Mit einiger Berechtigung lässt sich daher feststellen: Rokoko war vor allem ein Dekorationsstil mit viel Fassade und mehr Schein als Sein. Unweigerlich führte dies jedoch schließlich zur reinen Dekadenz, der Vorstufe des Untergangs.
Das Ende des galanten Stils
Das Ende des Rokoko kam scheinbar überraschend. Tatsächlich aber geschah der Niedergang dieser kurzen Kulturepoche eher schleichend. Plötzlich erschien ihr Ende lediglich durch ein bedeutendes Ereignis, welches die ganze Substanzlosigkeit des galanten Stils aufzeigte: Die Große Französische Revolution. Sie entzog der gesellschaftlichen Oberschicht den Nährboden ihres dekadenten Handelns. Damit hatte auch das Rokoko als dekorativer, jedoch vorwiegend höfischer Stil seine Berechtigung verloren.
(1) Kurt Pahlen: Die große Geschichte der Musik, Paul List Verlag München, 1996