Fingerhut - schön, wertvoll und giftig
Wer den Purpurfingerhut einmal in der Natur blühend entdeckt hat, vergisst ihn nicht wieder. Aber es gibt mehr als nur den roten Fingerhut.Digitalis purpurea auf Cornwall (Bild: a.sansone)
Fingerhut, Digitalis, botanischer Steckbrief
- Familie Wegerichgewächse, Plantaginaceae (früher zählte er zu den Scrophulariaceae)
- Gattung (Digitalis) Fingerhut . 22 zwei- und mehrjährige Arten. Manche immergrün, Heimat Europa, Nordafrika und Westasien. Hier einige davon angeführt:
- Digitalis ferruginea, Rostiger Fingerhut, goldbraun mit dunklen Adern.
- Digitalis grandiflora, Großblütiger Fingerhut, hellgelb, viele Zuchtsorten, Vorkommen in den Alpen, Voralpen, Blütezeit VI/VII
- Digitalis lanata, Wolliger Fingerhut, kleinere Blüten, hellgelb/beige, braune Innenseite.
- Digitalis purpurea, Roter Fingerhut, bis 1,5m hoch, frosthart, Zuchtformen, wild von zartpurpur bis intensivfarben, Fuchsglocke (engl. Foxglove), Vorkommen Gebirgswälder, in GB auch in Küstengebieten, Stängel behaart.
- Digitalis lutea, Gelber Fingerhut, weiß bis kanariengelb, gepunktet, trockene Wälder, Stängel kahl, steinige Standorte.
- Digitalis minor, Balearen-Fingerhut,
Die zu Glocken/Röhren verwachsenen Blüten ähneln sehr denen von Scrophulariaceae/Braunwurzgewächsen; früher Rachenblütler genannt.
Je vier oder fünf verwachsene Kelchblätter und vier oder fünf verwachsene Kronblätter bilden die zweilippige, röhrenförmige Einzelblüte. Jeweils drei oder vier Staubblätter. Digitalis bildet eine Rosette und hat wechselständige Blätter.
Fingerhutsamen sind winzig und Lichtkeimer; typisch für Waldpflanzen. Ist genügend Licht für das Wachstum vorhanden, keimen die Samen (Kapselfrucht). Ein lichtempfindliches Pigment namens Phytochrom ist dafür zuständig.
Die Einzelblüten wachsen in einer einseitswendigen Traube (Blüten sitzen gestielt entlang einer Achse). Die Blütenfarben reichen von Rot, Weiß, Gelb, Beige, Rosa bis Lavendelblau.
Digitalis purpurea (Bild: a.sansone)
Digitalis purpurea (Bild: a.sansone)
Der Fingerhut ruft den Hummeln zu: "Schau mir in den Schlund"
Für alle Gärtner, die auch Gutes für die bestäubenden Insekten tun möchten: Fingerhut ist nektarreich und pollenhaltig! Besonders beliebt ist er bei den Hummeln (Einkriechblume). Die Einzelblüten sind schräg abwärts gerichtet. Der vorstehende untere Teil der Blütenglocke (Unterlippe) dient als Landeplattform.
Die Blütenglocken sind außen kahl, haben allerdings innen lange Haare. Für kleine Insekten eine Hürde. Die zahlreichen dunklen Flecken mit hellem Rand sind keine Saftmale, sondern sie täuschen zusätzliche Staubblätter vor.
In einer Versuchsreihe wurden die Punkte einzelner Pflanzen abgedeckt und diese wurden dabei tatsächlich von weniger Insekten angeflogen! Clever, der Fingerhut.
Um Selbstbestäubung zu vermeiden reifen die Staubbeutel des Fingerhuts eher, als die Narbe zur Aufnahme von Pollen bereit ist. Die unteren Blüten öffnen sich zuerst. Hummeln oder auch Bienen fliegen immer von unten nach oben; beim höher Fliegen gerät das Insekt an erst nur Pollen produzierende Blüten, bei der nächsten Fingerhutpflanze beginnt sie wieder von unten nach oben und streift den Pollen unten ab.
Die traubigen Blütenstände sind durch Orientierung zum Licht hin einseitswendig (positiv phototrop). Steht der Fingerhut in der vollen Sonne, weisen seine Blüten nach Süden. Die Lebensdauer der Blüten beträgt etwa sechs Tage.
Zuweilen tritt eine monströse Riesenblüte auf (Pseudo-Pelorie) siehe Bild.
In den Blüten ist das Anthocyan Cyanin enthalten.
Dem Namen auf der Spur
Auch wenn der lateinische Name Digitalis irreführt, der Fingerhut ist sowohl als Zierpflanze als auch als Heilpflanze erst seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Digitalis wird erstmals erwähnt bei Leonhart Fuchs 1542 (Fuchsie); die Bezeichnung geht zurück auf den Fingerhut, das Hilfswerkzeug des Schneiders.
- Digitalis=digitus lat. für "Finger"
- ferruginea =rostrot, eisenfarbig von ferrum=Eisen
- grandiflora, grandis=groß, flora=Blüte
- lanata von lana=Wolle, wollig
- purpurea=purpurfarben
- lutea=gelb von luteus, lutum=mit Färberwau gefärbt
- Färberwau=Reseda luteola, Luteolin Farbstoff
Volkstümliche Namen für den Fingerhut sind:
Handschuahblume, Marienhandschuh, Fuchsglocke, Frauenhandschuh, Fingerkraut, Fuchskraut, Schwulstkraut, Unserer-lieben-Frauen-Handschuh, Waldglöckchen, Waldschelle.
Foxglove, die englische Bezeichnung hat ursprünglich nichts mit dem Fox=Fuchs zu tun, sondern hieß "Folk's glove" also Handschuh des Volkes - siehe Artikel: Cornwall.
Der Fingerhut im eigenen Garten
Wenn Sie den Fingerhut anpflanzen wollen, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Seit dem 16. Jahrhundert wird er in den gemäßigten Breiten als Zierpflanze in Parks und Gärten verwendet. Eine besonders großblumige Form ist die Sorte "Gloxiniaeflora".
Der Fingerhut ist eine wunderbare Pflanze für Hintergrundgestaltung, für romantische Gärten.
Er liebt kalkarme Böden und sollte halbschattig bis sonnig stehen. Wuchshöhe je nach Art/Sorte ist von 0,5 bis 1,5m.
Vorsicht ist jedoch geboten, wenn man öfter unbeaufsichtigte Kleinkinder im Garten hat. Auch wenn die Digitalisglykoside besonders in den Blättern vorhanden sind, bei kleinen Kindern reicht es schon, wenn sie spielerisch den Finger in die Blüten stecken, um den "Fingerhut" zu tragen und anschließend Beeren oder anderes Essbares in den Mund stecken. Vergiftungserscheinungen sind: Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen.
Tipp: Rechtzeitig die Kindern über die Gefahr aufklären; Pflanzen mit Respekt behandeln und nicht als blosses Spielzeug ansehen. Bei ganz kleinen Kindern einfach mit dem Anpflanzen von Fingerhut noch ein paar Jahre abwarten.
Wem das Anpflanzen zu gefährlich ist, der hat diese hübsche Variante - eine Solarlampe in Form und Farbe des Purpurfingerhuts.
Fingerhut als Medizinpflanze
Weder Leonhart Fuchs, der erstmals von Digitalis als Gartenpflanze in der deutschen Ausgabe seines Kräuterbuchs (1543) berichtet, noch Tabernaemontanus wussten um eine medizinische Verwendung für diese Pflanze.
In Irland und England gab es jedoch bereits magische/volksmedizinische Verwendung. Basierend darauf, griff der englische Arzt William Withering 1775 auf ein altes Familienrezept (zur Behandlung der Wassersucht) zurück und behandelte mit Blättern des Roten Fingerhuts erfolgreich Wasseransammlungen (Ödeme), die auf eine Herzschwäche zurückzuführen waren.
Von 1776 bis 1779 führte Withering eine Reihe von Experimenten an Dutzenden seiner Herzpatienten durch. Aufgrund seiner Beobachtungen schloss er auch, dass sich das Pflanzengift des Fingerhuts im Körper anreichert, da die Wirkung des Medikamentes bei längerer Verabreichung zunahm. 1785 veröffentlichte er dann seine berühmte Abhandlung "An account of the Foxglove and its medical uses". Quelle Wikipedia
Die Wirkstoffe des Fingerhuts sind Herzglykoside, die heute überwiegend aus dem Wolligen Fingerhut gewonnen werden.
Anmerkung: Von eigenständigen Versuchen/Hausrezepten mit Fingerhut wird dringendst abgeraten!
Digitalis purpurea, Cornwall, Großbritannien (Bild: a.sansone)
In diesen Gebieten/Ländern finden Sie Fingerhüte am Wegesrand
Meine schönsten Fingerhut-Erlebnisse hatte ich bisher in Cornwall/Großbritannien, wo er im Juni als treuer Wegbegleiter sowohl an der Küste als auch im Hinterland reichlich blühte. Aber auch in den Wäldern von Griechenland leuchtet er im zeitigen Frühjahr wunderbar. Auf Menorca wiederum krallt sich der Balearen-Fingerhut in jede Felsnische, die er nur finden kann.
Live Wallpapers – Foxgloves | Digitalis Purpurea Alba, Weißer Fingerhut 100 S... |
Quellen
- Botanica, Könemann; Verlagsgesellschaft mbH, 2000 Köln
- Wildflowers of Cornwall, David Chapman, Alison Hodge UK 2008
- Kosmos Atlas Mittelmeer- und Kanarenflora, Schönfelder; Franckh-Kosmos Verlag, 2011 Stuttgart
- Teufelsfeige und Witwenblume, Pichler/Geiser/Zuber; Christoph Merian Verlag, 2010 Bern
- Heil-, Gewürz-, Nutz- und Giftpflanzen im Botanischen Garten der Universität Innsbruck, Bortenschlager/Vergörer, 2004 Innsbruck
- Alte Bauerngärten neu entdeckt, Widmayr; BLV, 1985 München
- Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen, Genaust; Nikol Verlag, 2012 Hamburg
- Blick ins Buch der Natur, Bardorff; Gutenberg, 1963
- Wildblumen aus Griechenland, Papiomytoglou; Mediterraneo Editions, 2006
- Was blüht am Mittelmeer, Schönfelder; Kosmos, 2005 Stuttgart
- BLV Pflanzenführer für unterwegs, Schauer,Caspari; blv, 2014 München
- Beetgestaltung nach Farben, Falk-Ingo Klee; BLV, München 2015
- Die deutschen Pflanzen- und Tiernamen, Helmut Carl; Quelle & Meyer, Wiesbaden 1995
- Wird das was – oder kann das weg?, Bärbel Oftring; Franckh-Kosmos, 2017 Stuttgart
- Naturnah gärtnern, Norbert Griebl; Haupt; Bern 2015
Bildquelle:
a.sansone
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