Dieser Sport ist Mord!

Die USA in nicht allzu ferner Zukunft: Staaten und Regierungen gibt es nicht mehr. Ihre Stelle haben gigantische Industriekonglomerate eingenommen, die untereinander die Welt aufgeteilt haben und monopolistisch jeweils ganz bestimmte Güter und Dienstleistungen des Lebens bereitstellen. Doch nicht nur Nationalismus, auch Individualismus und Kriege wurden überwunden, da – ausgenommen die mächtigen Konzernchefs – nur noch das Kollektiv zählt, das von den Konglomeraten manipuliert wird und somit gesteuert werden kann. Abweichende Gedanken sind so gut wie unmöglich geworden und der Einzelne muss sich bedingungslos der Masse unterordnen.

Zur Unterhaltung der Menschen treten regelmäßig die jeweils besten "Rollerball"-Mannschaften der Konzerne gegeneinander zum Wettstreit an. Milliarden Menschen fiebern mit, wenn zwanzig Männer dieses mit aller nötigen Härte geführte Spiel für ihre Stadt und somit ihren Konzern gewinnen wollen, wobei es nicht selten zu Toten kommt. Als Superstar des "Rollerball"-Sports gilt Jonathan E. (James Caan) – sehr zum Missfallen des mächtigen Konzernvertreters Bartholomew (John Houseman), der ihn nach einem weiteren großen Sieg zu einer Unterredung bittet. Unmissverständlich legt er Jonathan einen Rücktritt vom Sport nahe. Dieser lehnt ab, da "Rollerball" sein einziges Talent darstellt und die Massen ihn lieben.

Nachdem sanfte Überredungskünste nichts fruchten, lässt Bartholomew die Regeln des Spieles ändern, stets mit dem Ziel, den Querulanten auszuschalten. Doch Jonathan erweist sich weiterhin als überragender Spieler und gewinnt weiter. Gleichzeitig versucht der nicht besonders intelligente Sportler herauszufinden, weshalb man ihn loswerden möchte. Bei seinen Nachforschungen stößt er auf Ungeheures …

Kampf dem Kollektivismus!

No Bock auf No Future!

Auf den ersten Blick kommt Norman Jewisons ("In der Hitze der Nacht", "Jesus Christ Superstar") einziger Beitrag zum Science-Fiction-Genre wie ein gänzlich konventioneller Zukunftsstreifen der 1970er daher: Individuum muss sich gegen eine übermächtig scheinende Entität – meist ein Polizeistaat oder wie in diesem Fall Industriemonopole – seiner Haut erwehren und darf nicht auf die Unterstützung seiner von den dunklen Mächten manipulierten Mitmenschen hoffen. Trotzdem verbirgt sich hinter dieser biederen "No future!"-Fassade ein durchaus intelligenter Kommentar zur gesellschaftlichen Entwicklung.

Interessanterweise stellt die präsentierte Welt einen Feuchttraum linker Weltverbesserer dar: Kriege existieren nicht mehr, ebenso wenig Hunger oder Umweltzerstörung. Die Welt wird von einer Handvoll Konglomeraten gewissermaßen verwaltet, indem jeder Mensch Nahrung, ein Dach überm Kopf und persönliche Sicherheit erhält. Freilich hat dieses Utopia seinen Preis: Individualität wird als Gefahr angesehen, könnte sich daraus doch der Wunsch nach Freiheit und einem von jedem Menschen selbst bestimmten Leben entwickeln, was das ausgeklügelte System des "Gleichgewichts" stürzen könnte. Mit der Etablierung des brutalen Sports "Rollerball" schlagen die Weltkonzerne gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen wird der Wunsch nach Zerstreuung erfüllt, zum anderen liegt dem Spiel die Botschaft inne, dass nicht der Einzelne, sondern nur das Kollektiv siegen kann.

 

Ausmerzung des Individualismus

Dummerweise durchkreuzt Jonathan E. dieses Konzept, indem er die Meisterschaften fast im Alleingang für sich entscheidet, was dem Geist der Spiele völlig widerspricht. Allerdings dauert es einige Zeit, bis der Sportler dies herausfindet, denn wie bei den meisten anderen Mitmenschen sind seine intellektuellen Fähigkeiten äußerst gering – auch dies eine gezielte Maßnahme der Konzerne, um das "perfekte" System zu erhalten. Die Ausmerzung des Individualismus geht so weit, dass keiner der Protagonisten einen Nachnamen trägt und dem Tod – ob auf der Sportbahn oder im Alltagsleben – keinerlei größere Bedeutung beigemessen wird. Ausgerechnet dem mit allem erdenklichen Luxus überhäuften Jonathan dräut, dass etwas ganz Wichtiges in seinem Leben fehlt: Die Bedeutsamkeit seines eigenen Lebens. Wenn er nur ein Mensch wie jeder andere ist, welchen Wert besitzt er dann? Kreativität oder Gefühle, die tiefer reichen als reine Instinkte und Triebe, sind in dieser sterilen Welt weder erwünscht, noch möglich, und es liegt an Jonathan, einen glimmenden Funken Hoffnung zu schlagen, indem er wieder und immer wieder beweist, dass er für seine Mannschaft unersetzlich ist und keine bloße Nummer, die beliebig ausgetauscht werden kann.

Das Konzept des Science-Fiction-Filmes "Rollerball" unterscheidet sich somit essenziell von jenen ähnlicher Werke. Hierbei stehen weder die Action ("Running Man"), noch das Verlangen nach einem Blutopfer ("Hunger Games") im Vordergrund, sondern vielmehr die Angst vor dem Verlust der Individualität. Vor dem Hintergrund der 1970er Jahre mit der wachsenden Furcht (und Wahrscheinlichkeit) vor einem nuklearen Schlagabtausch mit dem Ostblock eine ernstzunehmende Angst. Insbesondere deshalb, weil der herrschende Kommunismus wie jede auf sozialistischen Wahnideen basierende Ideologie auf der Auslöschung von Individualität und somit persönlicher Freiheit beruhte. Für freiheitsliebende US-Amerikaner eine Horrorvorstellung – heute leider schon wieder en vogue, was "Rollerball" zu einem visionären Film macht. Im Schraubstock zwischen das zentralistische Monstrum EU und die rasante Expansion des durch und durch autoritären Islamismus gespannt, wird der freiheitsliebende Europäer langsam, aber sicher erdrückt. Ein Prequel zu "Rollerball" würde vielleicht eine solche Tendenz aufzeigen und anschaulich verdeutlichen wohin der Wahn des Kollektivismus, der Toleranz mit Intoleranten, die Umverteilungsmaschinerie und unablässige Manipulation zu Gunsten eines übermächtigen Staates führen.

 

Großartiger James Caan

Trotz der sozialkritischen Untertöne, die heute wohl als rechtspopulistische Propaganda gelten würden, bietet der Science-Fiction-Klassiker satte Action. Die verwirrenden Regeln – falls es solche geben sollte – von "Rollerball" sind unerheblich. Wenn angeführt vom brillanten James Caan ("Misery", "Der Pate") zwei Mannschaften einander bis aufs Blut bekämpfen, wirkt das im Zeitalter von CGI noch spektakulärer; schließlich mussten die Spieleszenen von Schauspielern und Stuntdoubles gedreht werden. Dass es beim Dreh – der übrigens in der Münchener Sedlmayer-Halle stattfand - offenbar zu keinen schweren Verletzungen kam, verwundert angesichts der knallharten Action denn doch. Winston Churchill hatte recht: Sport ist Mord!

Fazit: Clever inszeniertes Spektakel mit einem James Caan in körperlicher Topform als Protagonisten Jonathan E. Die klare Botschaft des Filmes gegen den sich leider wohl durchsetzenden Wahn des Kollektivismus und für die Freiheit und Würde des Einzelnen, macht den Kinohit aus 1975 zu einem der wenigen Genrewerk seiner Ära, die heute weder angestaubt, noch naiv wirken.

Originaltitel: Rollerball

Regie: Norman Jewison

Produktionsland und -jahr: USA, 1975

Filmlänge: ca. 115 Minuten

Verleih: MGM Home Entertainment GmbH

Deutscher Kinostart: 5.7.1975

FSK: Freigegeben ab 16 Jahren

Laden ...
Fehler!