Science Fiction für die Generation "No future"

Le Waldsterben

Kult aus der Videothek

Jeden Tag drohte der Kalte Krieg zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt in eine heiße Phase zu treten, Afrika wurde von Revolutionen und Hungerskatastrophen erschüttert, im Iran wurde der islamische "Gottesstaat" errichtet, das Waldsterben rauschte durch den Blätterwald - kurzum: Die frühen 1980er-Jahre verstörten eine ganze heranwachsende Generation. Was Wunder, dass allerorts die Parole "No future" an Häuserwände oder Brückenpfeiler gesprayt wurde und meist kühl arrangierte New-Wave- und Neue-Deutsche-Welle-Lieder die bunte Disco- und Funk-Ära ablösten?

Für Jugendliche dieser Ära stand mit deprimierender Schlüssigkeit fest, dass sie entweder im unvermeidbar scheinenden Atomkrieg pulverisiert oder durch die Zerstörung der Umwelt einem qualvollen Dahinsiechen ausgeliefert sein würde. Wenigstens im Kino und im Fernsehen suchte diese traumatisierte Generation Ablenkungen von den stets niederschmetternden Nachrichten und düsteren Prognosen so genannter Zukunftsforscher - und fand eben jene geistige Zerstreuung in leicht verdaulichen Filmwerken. Außerirdische, einst Sinnbild des bedrohlichen Fremden, kamen plötzlich in Frieden und sahen putzig und harmlos wie E.T. aus.

Entsprechend unvorbereitet traf Jugendliche wie den Artikelautor die Science-Fiction-Serie "V – Die außerirdischen Besucher kommen". Damals schossen Videotheken wie heutzutage neue Behörden und Regulierungen aus dem Boden und versorgten die nach leichter Unterhaltung dürstenden Gehirne mit allem, was das Cineastenherz begehrte. Endlich war man unabhängig vom TV-Programm (in Österreich ganze 2 öffentlich-rechtliche Fernsehsender, die ihrem "Bildungsauftrag" mit stets erhobenem Zeigefinger nachkamen)! Also flugs einen der für unterprivilegierte Privathaushalte unerschwinglichen Videorekorder und ein paar Videos ausgeborgt, Chips und Cola besorgt und der Videoabend im Kreise der Familie konnte beginnen!

Was in der Prä-Internet-Ära freilich keiner wusste: "V – Die außerirdischen Besucher kommen" entpuppte sich nicht einfach als harmlose Science-Fiction-Serie, sondern war eine politische und gesellschaftliche Parabel mit einem der verblüffendsten Plot Twists der Filmgeschichte.

Die Handlung von "V – Die außerirdischen Besucher"

Ohne jegliche Vorwarnung erscheinen über den größten Städten der Welt gigantische Raumschiffe unzweifelhaft außerirdischer Herkunft. Zunächst herrschen Verwirrung und Angst: Kommen die Fremden in friedlicher oder feindlicher Absicht? Der erste Auftritt vor einer Versammlung der Vereinten Nationen sorgt für Erleichterung. Nicht nur sehen die Außerirdischen wie Menschen aus, sondern ihre Motive sind offenbar selbstloser Natur. Sie versprechen Heilstoffe gegen bislang tödliche Krankheiten und zahlreiche Technologien, die der Menschheit Frieden und allgemeinen Wohlstand bringen soll. Im Gegenzug wünschen sie lediglich Kooperation der Erdenbewohner, um diese Welt in paradiesische Zustände transformieren zu können.

Freudig akzeptieren die Regierungen und gewähren den Außerirdischen, die sich selbst lediglich "Besucher" nennen, unter der Führung von John (Richard Herd) direkte Einflussnahme in das irdische Geschehen. Fortan beginnen die Besucher, die wichtigsten Stützpfeiler der menschlichen Zivilisation zu kontrollieren und erreichen durch geschickte Manipulationen der ihnen gegenüber völlig unkritischen Politiker und Medien, die Völker unter ihre Kontrolle zu bringen. Nur wenige Menschen misstrauen den Außerirdischen, unter ihnen Journalist Michael Donovan (Marc Singer), der keine Gefahr scheut, um Missstände aufzudecken. Tatsächlich gelingt es ihm, sich an Bord eines Mutterschiffs zu schmuggeln. Dabei entdeckt er die wahre Natur der Besucher...

In Wahrheit handelt es sich bei den Besuchern um Echsenwesen, die zur Täuschung der Menschen synthetische Haut und Kontaktlinsen tragen! Donovan kann zwar fliehen und zurück zur Erde gelangen, muss aber als von den Außerirdischen Verfolgter leben. Diese verschärfen indes die Gangart und hetzen mit Lügen und Manipulationen die Menschen gegen Wissenschaftler auf, die eine potenzielle Gefahr für die Besucher darstellen. Nach außen hin geben sich die Fremden aber weiterhin als freundliche, friedliebende Wesen aus und gewinnen vor allem die Herzen vieler Jugendlicher, die von den hübschen Uniformen und der fortgeschrittenen Technologie begeistert sind. Selbst Donovans eigene Mutter kollaboriert mit den Außerirdischen.

Der Journalist wähnt sich bereits als einsamer Kämpfer an einer verlorenen Front. Doch er stößt auf eine Widerstandsgruppe, die sich rund um Wissenschaftlerin Julie Parrish (Faye Grant) gebildet hat und schließt sich der Résistance an, die jedes einzelne Mitglied dringend benötigt. Denn sie hat nicht nur die Besucher, sondern auch den größten Teil der Menschheit gegen sich, die in den Außerirdischen nach wie vor eine Art Erlöser aus dem Weltall sieht.

Freilich ist die Wahrheit eine ganz andere, wie Donovan und seine Mitstreiter herausfinden: Die Besucher betrachten die Erde als Schatztruhe, die sie zu plündern gedenken. Vornehmlich der überreichen Wasserressourcen wegen, aber auch der Tiere und Menschen, von denen sie sich ernähren. Glücklicherweise finden die Widerstandskämpfer aber unter den Besuchern Verbündete, die sich gegen die Pläne der Invasoren stellen. Trotz der schier aussichtslosen Lage formiert sich der Widerstand und bald ist überall sein Zeichen zu sehen: Ein blutrotes V, das für "Victory" steht...

V: Die Weltraum-Nazis kommen!

Es gibt nicht viele TV-Serien, die selbst Jahrzehnte nach ihrer erstmaligen Ausstrahlung noch dermaßen fesseln wie "V – Die außerirdischen Besucher kommen". Während beispielsweise die einstigen Quotenhits "Knight Rider" oder "Buck Rogers" durch die Nostalgie-Brille betrachtet allenfalls zum Schmunzeln verlocken, überzeugt der von Kenneth Johnson produzierte Science-Fiction-Klassiker durch seinen mitreißenden Plot und einige ungewöhnlich drastische Szenen, die man eher in einem Horrorfilm vermuten würde.

 

Analogie auf das Dritte Reich
Dabei ging es Kenneth Johnson, der zuvor bereits mit dem "Unheimlichen Hulk" Fernsehgeschichte geschrieben hatte, aber weniger darum, oberflächlichen Science-Fiction-Horror für Jugendliche zu kreieren, als vielmehr um die Inszenierung einer cleveren Analogie auf das Dritte Reich. Die Anspielungen sind von Beginn weg unübersehbar. So gleicht das Hoheitszeichen der "Besucher" einem stilisierten Hakenkreuz, die Kleidung der Außerirdischen erinnern an SS-Uniformen, Rot ist die dominierende Farbe und ihr Anführer wird im amerikanischen Original als "The Big Leader" tituliert, was in der deutschen Synchronisation verschämt mit "Der großen Denker" übersetzt wurde.

Im Vordergrund des Plots stand die Verführungskraft des Bösen. Schließlich tragen die "Besucher" nicht augenblicklich Tod und Verderben über die Menschheit, sondern präsentieren sich selbst als technologisch und geistig höher stehende Wesen, die den Völkern der Erde Friede, Wohlstand und Weisheit zu bringen gedenken. Ihre schicken Uniformen, die glänzenden Waffen und die beeindruckenden Raumschiffe begeistern die Jugend, derweil die älteren Generationen sich nach der scheinbar weisen Führung der überlegenen Rasse sehnen. Nur wenige misstrauen den pathetischen Worten der Neuankömmlinge; darunter ein Holocaust-Überlebender, den die Vorgangsweise der Außerirdischen frappant an jene der Nazis im Deutschen Reich erinnert. In einer der symbolischsten Szenen der Serie erklärt er einigen Jugendlichen, was es mit dem "V"-Zeichen auf sich hat und übersprüht eines der unzähligen Propagandaplakate der Besucher mit einem roten "V".

 

Homosexuelle Aliens
Und natürlich soll er recht behalten: Die Außerirdischen erweisen sich als Meister der Manipulation und beginnen damit, die Erde auszubeuten und potenzielle Feinde zu liquidieren. Dass sich unter der menschlichen Schale kaltblütige Reptilienwesen verbergen, die sich unter anderem von Menschen ernähren, ist eine weitere Anspielung auf den Zynismus der Nazis. Durchaus ungewöhnlich erscheint die Darstellung der Aliens aber auch insofern, dass sie kein homogenes Kollektiv bilden, sondern gleich den Menschen höchst individuelle Wesen sind, die untereinander ebenso Freundschaften, wie Feindschaften pflegen, Intrigen spinnen und dem Hedonismus frönen. Einige der Besucher gehen bisweilen sogar Beziehungen zu Menschen ein, was in einigen Fällen Teil eines makabren medizinischen Experimentes darstellt (eine weitere Analogie zum Nazismus), an anderer Stelle aber tatsächlich mit wahrer Liebe verbunden ist. Pikanterweise lebt einer der Besucher seine Homosexualität sehr offen aus - eine mutige Botschaft in einer TV-Serie der frühen 1980er-Jahre. Noch dazu eingedenk dessen, dass ihm aus seiner sexuellen Präferenz keinerlei Nachteile oder eine "gerechte Strafe" für seine Sündhaftigkeit widerfahren.

Ursprünglich erschien "V – Die außerirdischen Besucher kommen" als zweiteilige Miniserie, der drei weitere Teile folgten. Auf Grund des großen Erfolges wurden 19 weitere Folgen produziert, die das Konzept der Serie aber allmählich verwässerten und in typischer TV-Manier jeweils mit Cliffhangern endeten. Von einigem Interesse für Phantastik-Fans sind die Auftritte zweier Genre-Ikonen, namentlich der später als Freddy Krueger aus den Filmen der "Nightmare"-Reihe bekannte Robert Englund sowie Michael Ironside, der unter anderem in "Total Recall", "Starship Troopers" oder der "Stargate"-TV-Serie brillierte. Ironischerweise konnten die Hauptdarsteller kaum Kapital aus dem Welterfolg schlagen. Marc Singer, der den Journalisten Mike Donovan verkörperte, wurde durch B- und C-Movies gereicht, ebenso wie sein weiblicher Gegenpart Faye Grant (Dr. Parrish).

 

Sehenswerte Serie: "V – Die außerirdischen Besucher kommen"
Zugegeben: Die Tricktechnik der damals aufwändigen Produktion vermag heute nicht mehr zu überzeugen, wie bei wohl jeder anderen Science-Fiction-Serie auch ziehen sich Plotlöcher von der Größe ganzer Sonnensysteme durch die Handlung, wirken die Charaktere oftmals eindimensional und klischeehaft, und über allem thront die Frage: Wieso schießen die Besucher mit ihren Laserwaffen selbst auf wenige Meter Distanz noch meilenweit daneben?


Lässt man sich aber auf den ausgeklügelten Plot selbst ein, stellt "V – Die außerirdischen Besucher kommen" eine der spannendsten Science-Fiction-Produktionen der TV-Geschichte dar und regt mitunter sogar zum Nachdenken an. Denn so niederschmetternd der Gedanke auch sein mag: Vielleicht würden sich die von so vielen Menschen als Retter herbeigesehnten Außerirdischen bei ihrer Ankunft tatsächlich nur als technologisch, aber nicht moralisch fortgeschrittene Version der Menschheit entpuppen...

Weniger erfolgreiches Remake "V - Die Besucher"

Zwischen November 2009 und März 2011 flimmerten insgesamt 22 Episoden des vom US-Fernsehsender ABC produzierten Remakes "V - Die Besucher" über die Bildschirme. Die anfänglich hohen Zuschauerquoten fielen aber immer weiter in den Keller, bis ABC den Stecker zog und die Besucher vorzeitig nach Hause schickte. Rückblickend betrachtet schade, denn die Serie trug trotz vieler inszenatorischer Schwächen und einer mal großartigen, dann wiederum jämmerlichen Tricktechnik einiges Potenzial in sich und endete ausgerechnet dort, wo der Plot in Fahrt zu kommen begann.

Für eine ausführliche Rezension zum Remake "V - Die Besucher" klicken Sie bitte hier.

Deutscher Trailer "V - Die Besucher" in HD
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