Weißer Andorn, Arzneipflanze
Ein wenig bekannter Lippenblütler, Marrubium vulgare, ist zur Arzneipflanze 2018 gekürt worden.Marrubium vulgare (Bild: Mollivan Jon / Flickr)
Weißer Andorn, Marrubium vulgare, eine Heilpflanze
Der Gewöhnliche Andorn (Marrubium vulgare), ist eine Art aus der Gattung Andorn (Marrubium); sie gehört in die Familie der Lippenblütler (Lamiaceae).
Kennzeichen: Ausdauernd, schwach duftend, vierkantigiger Stiel, typisch für Lamiaceae, filzig behaarter Stängel, auch die rundlichen bis herzförmigen Blätter, bis 60 cm hoch.
Die Lippenblüten sind weiß: 2spaltige Oberlippe, 3zipflige Unterlippe, blattachselständig, stehen sie in vielblütigen fast kugeligen Scheinquirlen. Der Kelch ist auffällig mit 10 krallenartig zurückgebogenen Zähnen. Die Spaltfrucht auch dieses Lippenblütlers zerfällt in vier einsamige Teilfrüchte, die sogenannten Klausen
Lesetipp: Was ist typisch für Lippenblütler am Beispiel Salbei.
Blütezeit ist Juni-September. Natürliches Vorkommen auf trockenen Weiden, Ödland; ursprünglich stammt Marrubium vulgare aus dem Mittelmeerraum. In Mitteleuropa ist die Art ein Archäophyt, der aus dem früher verbreiteten Heilpflanzen-Anbau verwilderte und sich in passenden Gegenden einbürgerte. Älteste archäologische Nachweise in Mitteleuropa stammen aus der Jungsteinzeit (4000 v. Chr.).
Diese Pflanze ist in Deutschland in freier Natur sehr selten geworden und darum auf Stufe 1 der Roten Liste (https://www.zobodat.at/pdf/Jahrb-Bochumer-Bot-Ver_10_0210-0216.pdf).
Wer sie also im Freiland findet, sollte sie unbedingt schonen und nicht im großen Stil ernten; lieber sich eine Jungpflanze aus Gärtnereien besorgen und im eigenen Garten anbauen.
Was ist der Unterschied? Arzneipflanze - Heilpflanze?
(Bild: Antranias / Pixabay)
A) Die Arzneipflanze des Jahres wird seit dem Jahr 1999 jährlich durch den interdisziplinären Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg ausgerufen. Hier soll die Bedeutung der Pflanzen in der Medizin und ihre pharmazeutische Nutzung im Fokus stehen.
B) Die Heilpflanze des Jahres wird in Deutschland seit dem Jahr 1990 jährlich ausgerufen, durch den Verband der Heilkräuterfreunde Deutschlands e.V., bzw. durch den Verein NHV Theophrastus. Ziel ist es, Informationen zu heilenden Wirkungen von Kräutern anhand der ausgewählten Pflanze zu vermitteln.
Als wirksamkeitsrelevante Inhaltsstoffe des Andornkrauts gelten in erster Linie die Diterpen-Bitterstoffe. Wichtigste Substanz ist dabei das Marrubiin. Neben Bitterstoffen enthält das Kraut unter anderem Flavonoide, Lamiaceen-Gerbstoffe und eine geringe Menge ätherisches Öl. Wissenschaftlichen Daten zufolge entfalten die Bitterstoffe einen interessanten Mechanismus: Demnach gibt es nicht nur im Mund- und Rachenraum Bitterstoffrezeptoren, sondern auch auf den glatten Muskelzellen des Bronchialsystems. Deren Aktivierung erweitert die verengten Bronchien, wodurch sich der Schleim besser löst.
Quellen: Welterbe Klostermedizin; Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka, WVG 2016; Schilcher/Kammerer/Wegener: Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer 2010
Arzneipflanzen der letzten Jahre
Wo hilft der Andorn als Heilpflanze?
Andorn gegen Erkältungen
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Bei Erkältungskrankheiten wirkt Andorn sehr heilsam. Das liegt an den ätherischen Ölen und schleimlösenden Eigenschaften der Pflanze, die unsere Atemwege wieder frei putzen. Damit wirkt das Kraut lindernd und heilungsfördernd bei Husten und verstopfter Nase.
Andorn für die Verdauung
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Marrubiin ist der Bitterstoff von Andorn, Marrubium vulgare. Sein Bitterwert liegt bei mindestens 3.000; (am bittersten ist jedoch der Gelbe Enzian, Gentiana lutea, Grundstoff für den Enzianschnaps und andere Magenliköre.) Bitterstoffe helfen bei der Verdauung. Einsatz bei Appetitlosigkeit, Völlegefühl oder Blähungen.
Andorn für den Gärtner
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Absud aus Blättern bereiten und damit Bäume, die kränkeln, Geschwüre haben oder auch unter Blattlausbefall leiden, damit besprühen.
Aus den getrockneten Blättern könnten Tees gemacht werden. "Die Bitterstoffe fördern den Gallenfluss, was bei der Fettverdauung hilfreich ist", sagte Mayer. Der Medizinhistoriker empfiehlt wegen der Bitter- und Gerbstoffe auch, die Blätter mit denen anderer Pflanzen zu mischen. So schmecke der Andorn besser. "Wahrscheinlich ist er nur deshalb als Arzneipflanze zurückgegangen, weil bitter nicht mehr so populär ist."
Lesetipp: So gesund sind Bitterstoffe
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Hier ist überall Andorn drin:
Bestehende Fertig-Arzneimittel
- traditionelle pflanzlichen Arzneimittel Marrubin® Andorn-Bronchialtropfen (früher: Angocin® Bronchialtropfen)
- Andorn-Heilflanzensaft von Schoenenberger
- Im Weleda Hustenelixier ist unter anderem Marrubium vulgare enthalten.
- Auch Ricola verwendet Andorn in einer Kräuterteemischung
Marrubium vulgare (Bild: a.sansone)
Kann man Andorn auch im eigenen Garten anbauen?
Sie haben ein trockenes, sonniges Plätzchen im Garten? Oder gar eine Kräuterspirale?
Dann pflanzen Sie doch eine Jungpflanze Andorn (Marrubium vulgare). Sie ähnelt in Wuchs und Blüte stark einer Melisse. (Nicht direkt nebeneinander setzen, denn sonst erntet man bei Flüchtigkeit den falschen Tee!)
Andorn ist eine ausdauernde Pflanze und trägt im Garten ab dem zweiten Jahr Blüten. Er braucht einen trockenen sonnigen Standort und ist ausgesprochen pflegeleicht.
Einziger Knackpunkt ist Nässe im Winter oder auch im zeitigen Frühjahr. Das mag er nicht, da beginnt die Pflanze am Wurzelhals abzufaulen. Am richtigen Standort braucht man nur im Frühling etwas zurückschneiden, damit die Pflanze von unten nicht verkahlt und schön buschig wächst. Wer im Sommer nach der Blüte schneidet, zum Ernten und Trocknen des Heilkrauts, vermeidet auch die etwas lästige Selbstaussaat.
Für Tees: Blätter und Blütenspitzen zu Blühbeginn pflücken, frisch oder getrocknet verwenden. Achtung: sehr bitter; also sparsam einsetzen.
Auch andere Andorn-Arten sind hübsch im Garten:
- Marrubium vulgare, Weißer Andorn
- Marrubium peregrinum, Ungarischer Andorn/Grauer Andorn, weißfilzig
- Marrubium incanum/candissimum, Adriatischer Andorn, weiß, 5zähniger Kelch
- Marrubium alysson, Rotblütiger Andorn
Andorn - auf historisch heilkundlichen Spuren
Von der Antike bis weit in die Neuzeit war der Weiße Andorn, Marrubium vulgare, eine geschätzte und verbreitete Heilpflanze.
Das zeigt sich schon an der Spurensuche zu seiner Namensherkunft.
Marrubium: Angeblich stammt die Bezeichnung aus dem Hebräischen; von hebräisch mar=bitter und rob=Saft abgeleitet, marrob=bitterer Saft
Oder kommt die Herleitung doch aus Rom? Marruvium/Marrubium war die wichtigste Stadt des italischen Stamms der Marser. Sie lag an den Ufern des heute trockengelegten Fuciner Sees (Fucinus Lacus). Nachdem auch die Pflanze aus dem Mittelmeerraum stammt, nicht von der Hand zu weisen, oder? Egal.
Der deutsche Name "Andorn" wiederum weist auf keine Dornen hin, auch wenn der Blütenstand (Spaltfrucht mit Klausen) bei Fruchtreife eindeutig stachelig/dornig ist, sondern "Dorn" war früher ein Sammelname für allerlei Lippenblütler. Daneben trägt er aber auch noch viele Volksnamen/Trivialnamen, wie:
- Berghopfen, Brustkraut, Doort, Frauenkraut, Helfkraut, Mariennessel, Mauer-Andorn, Mutterkraut, weißer Dorant.
Auf den Spuren als Heilkraut:
Faktum ist, dass die Pflanze als Heilkraut bereits bei
- den alten Ägyptern gegen Atembeschwerden,
- von Dioskurides als Hilfe bei der Menstruation und Nierenleiden eingesetzt wurde.
- 795 kam Andorn als Heil-und Arzneipflanze im Lorscher Arznybuch vor.
- Walahfrid Strabo, Abt des Klosters Reichenau, verewigte Marrubium vulgare in seinem Buch über die Kultur der Gärten "Liber de Cultura Hortorum" um 840 mit den Worten:
"Duftet er süß, so schmeckt er nicht süß, doch vermag er zu lindern arge Beklemmung der Brust etc.... - 1510 wurde Strabos Wissen als Druck unter dem Titel "Hortulus" (Inhalt: die 24 Heilpflanzen aus dem Lehrgarten vom Kloster Reichenau in Reimform) zum viel verwendeten Lehrbuch.
- Auch Hildegard von Bingen verwendete Andorn für mancherlei Medizin.
"Der Andorn ist seit etwa 2000 Jahren Teil unserer europäischen Medizingeschichte und gehörte einst zu den beliebtesten Heilpflanzen", sagte zu Recht bei der Vorstellung der Arzneipflanze 2018 Johannes Gottfried Mayer vom Institut für Geschichte der Medizin in Würzburg. Derzeit seien die Wirkstoffe der vor allem im Mittelmeerraum vorkommenden Pflanze nur noch in zwei Medikamenten gegen Erkältungskrankheiten zu finden. Dem Vergessen soll mit der Wahl zur Arzneipflanze des Jahres 2018 Abhilfe geschaffen werden.
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Andorn in der Volksheilkunde
- Für Nasennebenhöhlen wird eine Mischung aus Andorn, Fenchelsamen, Sonnenhut und Katzenpfötchen in Weißwein geköchelt und mit Honig gesüßt und soll Linderung bringen.
- Gegen Husten, Halskratzen, Heiserkeit kann man aus Andorn, Salbei, Ingwer und Honig selbst Pastillen zubereiten.
- Anis und Andorn mischte auch Hildegard von Bingen zu einem Hustentee.
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Als Tee einen Teelöffel des Krauts mit heißem Wasser aufgießen und am besten vor den Mahlzeiten einnehmen.
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Wer auf Nummer sicher gehen will, nimmt Andornkraut, Saft oder Tropfen aus Andorn aus Reformhaus oder Apotheke.
- Am besten, Sie lassen sich in der Apotheke, im Reformhaus persönlich beraten.
(Ohne Gewähr - Die hier vorgestellten Informationen dienen nicht als Rezeptanleitung, auch wenn sie sorgfältig recherchiert und erstellt wurden. Sie können eine professionelle Beratung durch ausgebildete Ärzte, Therapeuten und Apotheker nicht ersetzen. Wer die Pflanzentherapie zu Heilzwecken nutzen möchte, sollte sich in jedem Fall vorab umfassend informieren.)
Arzneipflanzen der letzten Jahre
Natur des Jahres 2018
Weitere Artikel und Porträts der Arten, die zur Natur des Jahres 2018 gewählt wurden, finden Sie natürlich auch bei uns:
- Ingwer, Heilpflanze 2018
- Andorn, Arzneipflanze 2018
- Torfmoos-Fingerwurz, Orchidee 2018
- Taglilie, Staude 2018
- Der Große Fuchs, Schmetterling 2018
- Star, Vogel 2018
- Esskastanie, Baum 2018
- Der Langblättrige Ehrenpreis, Blume 2018
- Die Steckrübe, Gemüse 2018
- Wiesenchampignon, Pilz 2018
Quellen
Neben der eigenen gärtnerischen Erfahrung ...
- Kosmos Atlas Mittelmeer- und Kanarenflora, Schönfelder; Franckh-Kosmos Verlag, 2011 Stuttgart
- Geheimnisse und Heilkräfte der Pflanzen, Verlag das Beste, 1980 Stuttgart
- Heil-, Gewürz-, Nutz- und Giftpflanzen im Botanischen Garten der Universität Innsbruck, Bortenschlager/Vergörer, 2004 Innsbruck
- Kräuter, McVicar; Bassermann Verlag, 2013 München
- Was blüht am Mittelmeer, Schönfelder; Kosmos, 2005 Stuttgart
- Guida alla Fiora e alla Fauna della Sardegna, Casu/Pinna/Lai/Colomo; Ed. Archivio Fotografico Sardo, 2007 S. Colomo
- Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen, Genaust; Nikol Verlag, 2012 Hamburg
- Die deutschen Pflanzen- und Tiernamen, Helmut Carl; Quelle & Meyer, Wiesbaden 1995
Bildquelle:
adele sansone
(Natur des Jahres 2019)
a.sansone
(Gesund essen - Warum Bitterstoffe wertvoll sind)