Liam Neeson in "96 Hours - Taken 2"

"96 Hours" war 2008 der Überraschungshit des Jahres. Der mit 25 Millionen Dollar budgetierte französische Streifen spielte weltweit das Zehnfache ein und war damit einer der erfolgreichsten Filme des Jahres. Was einmal klappte, muss auch ein zweites Mal klappen, dachte sich Produzent Luc Besson offensichtlich und schickt Liam Neeson in "96 Hours - Taken 2" erneut als Geheimagent auf die Pirsch. Leider mangelt es dem Sequel am clever-provokanten Plot des Originals und wird von der altbacken wirkenden Action nicht davor gerettet, wenig mehr als akzeptable Genrekost auf durchschnittlichem Niveau zu bieten. Die leichtfüßige Frische von "96 Hours" lässt sich eben doch nicht beliebig wiederholen.

Die Story

Ex--Agent Bryan Mills (Liam Neeson) kann es einfach nicht lassen: Obwohl seine Tochter Kim (Maggie Grace) längst erwachsen ist, schnüffelt er ihr nach und platzt in einen romantischen Abend mit ihrem Freund hinein. Derweil hat Ex-Frau Lenore (Famke Janssen) andere Probleme: Auch ihre zweite Ehe erweist sich als Trümmerhaufen. Um sie zu trösten und als Wiedergutmachung für Kim, lädt er beide zu einem Wochenende in Istanbul ein.

Dort angekommen verläuft der Kurzurlaub zunächst recht harmonisch. Doch während einer Taxifahrt mit Leonore bemerkt der ausgefuchste Ex-Agent, dass sie verfolgt werden. Wenig später schlagen die Gangster zu und entführen trotz heldenhafter Gegenwehr die beiden Amerikaner. In einem feuchten Keller ans Heizungsrohr gekettet, erfährt Mills den Grund hierfür: Murad (Rade Serbedzija) hat es auf ihn und seine Familie abgesehen, da er in Paris seinen Sohn, der einer der Drahtzieher hinter dem Menschenhändlerring war, getötet hatte. Und nun soll Mills dabei zusehen, wie Lenore und Kim langsam zu Tode gequält werden, ehe es ihm selbst an den Kragen geht. Plötzlich liegt es ausgerechnet an Kim, ihre Eltern aus den Händen der ruchlosen Verbrecher zu befreien!

Trailer von "96 Hours - Taken 2"

"96 Hours - Taken 2": Action in Istanbul

Workaholic Liam Neeson

Untätigkeit kann man dem Iren Liam Neeson nun wahrlich nicht unterstellen: Alleine 2012 war der mittlerweile 60-Jährige in nicht weniger als fünf Produktionen höchst unterschiedlicher Qualität zu bewundern.

Neben dem vorzüglichen Actiondrama "The Grey – Unter Wölfen” und dem Blockbuster "The Dark Knight Rises" legte er in "Zorn der Titanen" einen schaumgebremsten Auftritt hin und durfte im charmant-dämlichen Michael-Bay-Imitat "Battleship" ungefähr zehn Dialogzeilen von sich geben. "96 Hours - Taken 2", die Fortsetzung des Actionhits von Pierre Morel, reiht sich in jeglicher Hinsicht in die Mitte ein.

Der von Olivier Megaton ("Colombiana") – nicht zu verwechseln mit einem der Roboter aus den "Transformers"-Filmen (nicht zu verwechseln mit dem von Olivier Megaton produzierten "Transporter 3") - inszenierte Streifen leidet am typischen Sequel-Syndrom: Das Gleiche noch einmal, aber irgendwie anders!

 

Unterschiede zu "96 Hours"

Das "irgendwie anders" ist in diesem Fall der Kniff, dass nicht Mills Tochter Kim, sondern Mills selbst entführt wird und von Kim befreit werden muss. Im Wesentlichen bietet "96 Hours - Taken 2" jedoch nichts Neues: Finster dreinblickende (und agierende) Südländer legen keinerlei Skrupel an den Tag, die europäischen Behörden sind entweder überfordert oder inkompetent, und nur ein Amerikaner ist fähig, den Schurken ordentlich einzuschenken. Die Bruchlinie mit dem ähnlich angelegten "96 Hours" verläuft entlang der Motive: Pierre Morels vorzüglicher Actionkracher wob geschickt nachvollziehbare Motive ein Hier die eiskalte Methodik von Menschenhändlerringen, dort der heißblütige Befreiungskreuzzug eines verzweifelten Vaters.

 

Politisch unkorrekt

Naturgemäß wurde Morel und mit ihm Produzent und Drehbuchautor Luc Besson vorgeworfen, einen reaktionären Hassfilm produziert zu haben, der vornehmlich das Weltbild rechter Recken bediene. Freilich wurde hierbei die menschliche Komponente geflissentlich übersehen: Liam Neeson als Vater einer entführten Tochter konnte und wollte sich nicht um feine Diplomatie, Toleranz und Verständnis für fremde Kulturen kümmern. Wer sich ihm in den Weg zur Rettung seiner Tochter stellte, wurde als Feind betrachtet und entsprechend behandelt. Das mochte in den Augen und Ohren politisch-korrekter Zeitgenossen unfassbar grausam, intolerant und faschistoid klingen, war aber völlig nachvollziehbar.

"96 Hours - Taken 2" lässt diesen provokanten Motivfaden fallen und strickt stattdessen einen ärgerlich konventionellen Actionkracher. Der Vater eines der von Mills ermordeten Verbrecher sinnt auf Rache und bekommt die Gelegenheit dazu als – wie bequem! – der Ex-Agent ausgerechnet im von Albanien nicht allzu weit entfernten Istanbul einem Job nachgeht und seine Familie im Schlepptau hat.

Von Beginn weg ereilt den Zuschauer das Gefühl, es mit einer hektisch produzierten Fortsetzung zu tun zu haben. Schließlich hätte man Liam Neeson ein weitaus eleganteres Motiv auf den Leib schreiben können, um erneut gegen die südeuropäische Mafia anzutreten.

Wenig Neues in "96 Hours - Taken 2"

Zugegebenermaßen wirft der Plot eine moralisch interessante Implikation auf: Kann man Murads Rachefeldzug nicht ein Stückchen weit Verständnis entgegenbringen? Immerhin war dieser von Mills auf unsanfte Weise getötet worden. Zwar drückt sich "96 Hours - Taken 2" nicht um eine kurze Diskussion rund um diese Frage. Doch die filmische Antwort fällt enttäuschend platt (und vorhersehbar) aus, womit die einzige halbwegs interessante Komponente eliminiert wird.

Funktioniert der Film wenigstens auf seiner vordergründigen Actionebene? Durchaus. Im engen Straßengewirr entspinnen sich solide inszenierte Verfolgungsjagden per Pedes und per Automobil, es wird geprügelt und geschossen, der Bodycount kann mit jenem des Originals locker mithalten. Abgesehen vom pfiffigen Einfall, mit Hilfe von Granaten Entfernungen zu bemessen, hält sich der Streifen mit unkonventionellen Ideen zurück und serviert Altbackenes, das durch rasche Schnitte dynamischer wirken soll, als es in Wahrheit ist.

Istanbul (Not Constantinople)

Hilflose Ex-Bondine Famke Janssen

Charakterliche Entwicklungen sucht man ebenso vergebens: Famke Janssen verkörpert das typische Klischee des hilflosen weiblichen Opfers (was fast schon wieder ironisch ist, bedenkt man, dass Famke Janssen in "Goldeneye" noch James Bond beinahe den Garaus machte), Maggie Grace erstaunt mit Fahrkünsten, die man bei einer jungen Frau, die mehrmals durch die Führerscheinprüfung gerasselt ist, nicht vermutet hätte, und Murads Schergen stellen wenig mehr als eindimensionale Schießbudenfiguren dar. Zu allem Überfluss werden sie von Liam Neeson viel zu leicht überwältigt, wie dieser überhaupt in sämtlichen Situationen zu überlegt und auf unheimliche Weise allwissend agiert. Ex-Agent Mills aus "96 Hours" war weitaus glaubwürdiger.

 

Glanzpunkt Liam Neeson

Fazit nach eineinhalb Stunden: "96 Hours - Taken 2" ist leider nicht der erhoffte Actionkracher. Dies liest weniger am wie üblich die Leinwand in jeder Szene an sich reißenden Liam Neeson, denn vielmehr am zu simpel angelegten Plot. Letztendlich kratzt der Streifen höchstens an der Oberfläche seiner verschenkten Möglichkeiten. Angesichts des finanziellen Erfolgs dürfte ein dritter Teil nicht überraschen, der hoffentlich zur provokant-erfrischenden Linie des Originals zurückfindet.

Originaltitel: Taken 2

Regie: Olivier Megaton

Produktionsland und -jahr: F, 2012

Filmlänge: ca. 92 Minuten

Verleih: Universum Film GmbH

Deutscher Kinostart: 11.10.2012

FSK: Freigegeben ab 16 Jahren

Autor seit 14 Jahren
815 Seiten
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