Zur grundsätzlichen Bedeutung des menschlichen Bewusstseins

Das Bewusstsein ist etwas, das unser Dasein im Wachzustand bestimmt und deshalb für uns zweifelsfrei existiert. Das heißt: Wir wissen, dass wir sind und was wir sind und beziehen dies in unsere Entscheidungen und Handlungen mit ein. Man kann auch sagen: Immer dann, wenn wir etwas wahrnehmen, darüber nachdenken und Konsequenzen daraus ziehen, also handeln, tritt unser Bewusstsein in Aktion. Unser subjektives Erleben ist nicht vorstellbar ohne Bewusstsein. Das Bewusstsein ist – wie es der amerikanische Philosoph John Searle beschreibt – die Voraussetzung dafür, dass wir Dingen in unserem Leben überhaupt Bedeutung beimessen können. Folglich ist für ihn das Bewusstsein "der wichtigste Aspekt unseres Lebens".

Das Ich-Bewusstsein des Menschen

Typisch für den Menschen ist, dass er ein Ich-Bewusstsein bzw. Bewusstsein seiner selbst entwickelt. Und zwar ist – so der amerikanische Psychologe Michael Tomasello - das menschliche Ich- bzw. Selbstbewusstsein im Wesentlichen das Produkt der Interaktion mit anderen. Das menschliche Ich- bzw. Selbstbewusstsein ist mit anderen Worten für Tomasello weniger ein Ausdruck individueller geistiger Fähigkeiten, sondern vielmehr das Talent, mit anderen Menschen zu kommunizieren, zusammenzuarbeiten, von anderen zu lernen und sich damit ein kulturelles System anzueignen. Tomasello bezeichnet diese Fähigkeiten zu Interaktion und Kooperation, in denen das menschliche Bewusstsein zum Ausdruck kommt, deshalb auch als die kulturelle Intelligenz des Menschen. Seiner Meinung nach ist das menschliche Bewusstsein im Laufe der Evolution also vor allem deshalb entstanden, weil es Menschen ermöglichte, höchst effektiv als Gruppe zu agieren und sich damit zu "Kulturwesen" zu entwickeln.

Zum Zusammenspiel von Gehirn und Bewusstsein

Auch nach Ansicht des amerikanischen Hirnforschers Michael Gazzaniga ist das Ich-Bewusstsein des Menschen ein Resultat der Evolution. Er sieht dieses Bewusstsein jedoch in starker Abhängigkeit vom Gehirn. Das heißt: Für Gazzaniga ist das Gefühl, dass wir selbstbestimmt handeln und Entscheidungen treffen, die auf unserem freien Willen beruhen, nur eine Illusion, nämlich eine Illusion, die unser Gehirn selbst hervorbringt und mit der es uns "permanent in die Irre führt". Deshalb sei auch unsere Vorstellung eines bewussten Ich, das zeitlich konstant bleibe, nichts anderes als eine gute Erzählung des Gehirns, das all unsere Erfahrungen in die stimmige Story eines Ich verwandeln würde. Während sich also de facto unser Ich permanent verändert, erweckt unser Gehirn – so Gazzaniga - den Eindruck, dass wir stets dasselbe Ich sind. Man könnte auch sagen: Es gibt viele verschiedene Bewusstseinszustände, aber wir erfahren diese ganz selbstverständlich als einheitliches "Ich-Erlebnis". Ähnlich ist der Bewusstseinsphilosoph Thomas Metzinger der Ansicht, dass das Gehirn dem Organismus die Existenz eines stabilen Ich vorgaukelt, dass uns also das Gehirn den Eindruck vermittelt, als gäbe es so etwas wie ein einzigartiges Selbst, das konstant bleibt.

Aber weder Metzinger noch Gazzaniga wollen den Menschen auf sein Hirn reduzieren. So bestimmt Gazzaniga zufolge nicht allein das Gehirn über unser Bewusstsein, sondern umgekehrt bestimmen auch Bewusstsein und Geist, die von physikalischen Prozessen im Gehirn auf eine spezifische Weise hervorgebracht werden, ihrerseits dieses Gehirn. Das Gehirn werde also vom Geist bestimmt, den es selbst hervorbringe. In diesem Kontext zeigt sich auch für Gazzaniga die Bedeutung der Interaktion mit anderen als Voraussetzung und Ausdruck "wahren Menschseins", und er kommt deshalb zu dem Schluss, "dass Hirnaktivität nicht irgendwo im Gehirn stattfindet, sondern im Raum zwischen miteinander wechselwirkenden Gehirnen".

Selbst und Körpergefühl

Der Neurologe Olaf Blanke beschäftigt sich mit der körperlichen Basis unseres Selbstbewusstseins. Und zwar konstruiert unser Gehirn – so Blanke – aus all den äußeren und inneren Inputs, die es erhält, ein möglichst konsistentes Bild unseres körperlichen Selbst. Das heißt: Das Gehirn fügt die verschiedenen Signale unserer Sinnesorgane zu einer stabilen, globalen Körperrepräsentation zusammen. Der Sinn für den eigenen Körper, der uns so selbstverständlich erscheint, ist also Blanke zufolge das Ergebnis einer permanenten Integration aller verfügbaren Sinnesinformationen. Dabei sind seiner Meinung nach visuell aufgenommene Informationen besonders wichtig.

Das Phänomen der Qualia

Auch wenn, wie gezeigt, die Hirnforscher bereits viele Details über den Beitrag des Gehirns zum Funktionieren unseres Bewusstseins herausgefunden haben, haben sie ein großes Rätsel noch nicht lösen können, nämlich die absolute Individualität der Bewusstseinsinhalte. Das heißt: Die Hirnforscher können zwar Hirnaktivitäten beobachten und Gehirnströme messen, aber sie können die inneren Erlebnisse, die mit dieser Hirnaktivität einhergehen, nicht nachempfinden. Sie können die Frage nicht beantworten, warum chemische, elektrische, hormonelle Impulse und Vorgänge im Körper als Qualitäten erlebt werden wie beispielsweise" warm, "blau" oder "angenehm bzw. unangenehm". Die Erlebnisqualitäten, die sogenannten "Qualia", sind mit anderen Worten rein subjektiv und, es ist in der Forschung bisher völlig ungeklärt, in welcher Verbindung neuronale Prozesse im Gehirn mit Qualia, subjektiven Erlebnisgehalten mentaler Zustände, stehen. Der amerikanische Philosoph Thomas Nagel hält es sogar grundsätzlich für unmöglich, subjektives Erleben durch die bisher angewendeten objektiven Untersuchungsmethoden zu erkunden.

Das Unbewusste und das Unterbewusstsein bzw. Vorbewusstsein

Mindestens ebenso bedeutsam wie unser bewusstes, ich-bezogene Erleben sind die mentalen Prozesse, die uns unbewusst sind. So bezeichnen Psychologen und Hirnforscher alle Prozesse im Gehirn als "unbewusst", die sich dem Tagbewusstsein entziehen, und das ist die überwiegende Mehrheit aller Denk- oder Schaltvorgänge, wobei bemerkenswert ist, dass solche Prozesse in vielen Fällen effektiver und schneller ablaufen können als bewusste Vorgänge. Wir entscheiden also häufig alles andere als bewusst. Und zwar werden wir bei diesen unbewussten mentalen Prozessen unter anderem von dem gesteuert, was wir gelernt haben oder was uns geprägt hat, und das heißt, von Inhalten unseres Unterbewusstseins. Man kann das Unterbewusstsein bzw. Vorbewusstsein deshalb auch definieren als die Summe aller Vorstellungen, Erinnerungen, Eindrücke, Motive, Einstellungen und Handlungsbereitschaften, die in uns sind, die aber zurzeit nicht aktiv sind. Unsere Absichten oder Entscheidungen können also von geistigen Qualitäten, nämlich intuitiven Überzeugungen, Gemütswerten, Empfindungen oder auch Gewissensregungen, beeinflusst werden, die aus einem Teilbereich unserer Persönlichkeit stammen, der zwar vorhanden ist, der uns aber im Moment nicht bewusst ist. Ein Teil des menschlichen Bewusstseins zeigt sich mit anderen Worten als Tagbewusstsein, ein anderer Teil verbirgt sich im Unterbewusstsein, aber übt dennoch Einfluss auf unser Leben und unsere Entscheidungen aus. Man kann auch sagen, dass das Tagbewusstsein all das umfasst, was im Moment aktiv ist, dass dies aber nur ein Teil des eigentlichen, umfassenderen Bewusstseins jedes Menschen ist.

Ist das Bewusstsein immateriell?

Was die Frage betrifft, wie bedeutsam die Gehirntätigkeit für unsere Bewusstseinszustände ist, gibt es - das zeigen die bisherigen Erkenntnisse - nur zwei Möglichkeiten: Entweder das Gehirn selbst erzeugt Bewusstsein – wogegen das Qualia-Phänomen spricht –, oder das Gehirn vermittelt Bewusstsein nur. Nach dem Modell des Gehirns als Vermittler, wie es vor allem von Sterbeforschern vertreten wird, die sich dabei auf die sogenannten Nahtodererlebnisse berufen, kann das Bewusstsein auch unabhängig von einem Körper existieren, braucht aber, wenn es in einem materiellen Umfeld "funktionieren", also in der Lage sein soll, Eindrücke aufzunehmen und Willensentschlüsse zu fassen, dazu ein "Werkzeug" – das Gehirn. Diesem Modell zufolge verbindet sich das Bewusstsein also temporär mit einem materiellen Träger.

In dieser Sichtweise ist das Gehirn ein Empfangs- und Sendeorgan für ein immaterielles Bewusstsein, funktioniert also ähnlich wie ein Radio. Das heißt: Das Gehirn empfängt das immaterielle Bewusstsein und leitet es an den Körper weiter, während es gleichzeitig dem Bewusstsein körperliche Reize oder Sinneseindrücke übermittelt. Demnach ist Bewusstsein also nicht an den Körper gebunden, sondern schließt sich diesem durch die Vermittlungstätigkeit des Gehirns nur an, was in östlichen Religionen als Inkarnation bezeichnet wird. In Anlehnung an David Rotter könnte man auch sagen, dass der "eigentliche Ort" des Bewusstseins ein immaterielles Bewusstseinsfeld ist, in dem kollektive Informationen gespeichert werden, und dass das Gehirn der "Adressat" dieses energetischen Informationsfeldes ist und damit eine Art "Arbeitsspeicher des Bewusstseins", in dem temporär Informationen verarbeitet werden.

Braucht der Mensch überhaupt ein Gehirn?

Untersuchungen, bei denen festgestellt wurde, dass Menschen trotz schwerer Hirnanomalien ein normales Leben führen, geben zu der - noch radikaleren - Frage Anlass, ob das Bewusstsein überhaupt das Gehirn als Vermittler benötigt. Das heißt: Es ist eine Vielzahl an Fällen dokumentiert, in denen Menschen von Geburt an nur über ein minimales Gehirn verfügten oder durch Unfälle, aber auch durch Operationen einen Großteil der Gehirnmasse einbüßten - ohne dass dies eine Beeinträchtigung ihres Denkens, Fühlen und Handelns zur Folge gehabt hätte. Die Betroffenen waren folglich auch normal oder sogar überdurchschnittlich intelligent.

Man könnte hier spekulieren, dass sich das Bewusstsein, wenn das Gehirn ausfällt, der anderen neuronalen Netzwerke im Körper, die sich in der Herzgegend und im Bauchbereich befinden, als Vermittler bedient. (S. dazu: http://pagewizz.com/wohnt-die-seele-im-herzen-28408/ sowie: http://pagewizz.com/der-bauch-als-zweites-gehirn-28188/) Man könnte sich auch vorstellen, dass das Bewusstsein generell auf alle Nervensysteme, die sich im menschlichen Körper befinden, "zurückgreift", um sich zu manifestieren. Diese Vermutung könnte andererseits "Wasser auf die Mühlen" der Nahtodskeptiker sein. Denn diese könnten nun argumentieren, dass bei klinisch toten Menschen, die trotz des Komplettausfalls ihres Gehirns spektakuläre mentale Erlebnisse hatten, die anderen neuronalen Netzwerke diese bewirkt hätten. Diese Erlebnisse wären deshalb kein Indiz für ein unsterbliches, vom Körper unabhängiges, Bewusstsein.

Dem könnte man wiederum entgegenhalten, dass man mit dem Argument, bei Nahtoderlebnissen hätten andere neuronale Netzwerke im Körper den Ausfall des Gehirns kompensiert, nicht erklären kann, warum die Nahtoderlebnisse bei Menschen unabhängig von ihrem Alter, ihrem Geschlecht und der Kultur, der sie angehören, im Wesentlichen die gleichen Inhalte haben. Denn "normalerweise" ist ja, wie gezeigt, für die mentalen Erlebnisse des Menschen, die Qualia, eine große Individualität typisch. Dies gilt anscheinend in Todesnähe nicht mehr. Es scheint fast so, als ob das Bewusstsein hier schon auf einen anderen Modus "umschaltet". Ferner könnte man angesichts der Untersuchungsergebnisse, die belegen, dass der Mensch nicht unbedingt ein voll funktionierendes Gehirn braucht, aber auch die Frage aufwerfen, ob die These, mit dem Hirntod sei der Mensch irreparabel geschädigt, überhaupt noch haltbar ist.

Schlussfolgerungen

Aufgrund des Scheiterns aller Versuche, das Phänomen der Qualia, also der für den Menschen typischen subjektiven Erlebnisqualitäten, objektiv zu erklären, und das heißt, auf Hirnfunktionen zurückzuführen, und angesichts der Existenz von "Menschen ohne Gehirn" verfestigt sich immer mehr der Eindruck, dass es sich beim Bewusstsein zunächst einmal um eine vom Gehirn unabhängige Größe handelt, um eine energetische Realität jenseits des Körpers. Man stößt mehr noch immer dann, wenn man versucht, den Dingen auf den Grund zu gehen, die sich in uns und in unserer Umwelt abspielen, auf Bewusstsein, auf rein Geistiges. Es liegt also die Vermutung nahe, dass alles, was existiert - unser Gehirn wie unser Körper und letztlich die ganze Welt - eine Erscheinung oder Manifestation im Bewusstsein ist, dass Bewusstsein der alles umfassende, unbegrenzte Hintergrund ist, für den es weder Raum noch Zeit gibt. Man könnte auch sagen: Das Bewusstsein ist ein Feld, das morphogenetisch mit allem verbunden ist, und das menschliche Bewusstsein einschließlich der intellektuellen und emotionalen Leistungen, zu denen Menschen fähig sind, ist nur eine Spezialform dieses umfassenden Bewusstseins. - Ich möchte abschließend eine Parallele ziehen zu Vorstellungen im Kontext der Quantenphysik, denen zufolge das Universum einen riesigen Quantencomputer darstellt, mit dem das menschliche Bewusstsein durch Quantenverschränkungen verbunden ist. (s. dazu meinen Artikel: http://pagewizz.com/eine-revolution-in-der-wissenschaft-30605/)

 

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