Organisationen, die für Zoos einen Kriterienkatalog herausgeben

Immer wieder stellt sich einem Zoo zum wiederholten Mal die Frage, wie man die Haltung der Wildtiere in Zoos generell optimieren kann. Ist es dem Gutdünken der jeweiligen Zooleitung frei überlassen, wie sie ihre Tiere hält oder gibt es allgemeine Richtlinien?

  • WAZA (World Assoziation of Zoos and Aquariums) ist der Weltverband der Zoologischen Gärten und Aquarien. Mitglieder sind die führenden Zoos, Aquarien, Verbände und angegliederte Organisationen in der ganzen Welt.
  • Das Rigi Symposion: Ein regelmäßig stattfindendes mehrtägiges Treffen in der Schweiz, Fachleute aus der Schweiz, Deutschland und Österreich (Zoos der Alpenregion und zahlreiche andere teilnehmende Zoos) besprechen einen Schwerpunkt und geben abschließend ein Konsensdokument heraus.

  • Die nationalen Tierschutzgrundlagen, die allerdings in den Ländern verschieden sind.

  • Ein Zooranking für europäische Zoos von Anthony Sheridan

 

Ethische Grundsätze für die Haltung von Zootieren laut WAZA

Allen Zoos muss als "Sorgeberechtigten" für ihre Tiere breites Vertrauen entgegen gebracht werden, als Institution, die nicht nur das hehre Ziel des Naturschutzes vor Augen haben, sondern stets die unmittelbaren Bedürfnisse der Lebewesen, für die sie verantwortlich sind.

Die WAZA hat ethische Grundsätze verabschiedet, die von ihren Mitgliedern weltweit anerkannt werden.

Tiere in Zoos müssen so gehalten werden, dass ihr natürliches Verhalten berücksichtigt wird, auch die Möglichkeit zur Fortpflanzung. Zoos können die freie Wildbahn nicht nach bauen, sollten aber soweit möglich die natürliche Umgebung der Tiere nach bilden und dabei das Verhalten der Tiere und ihre physiologischen Bedürfnisse berücksichtigen.

Außer einem Gehege entsprechender Größe und Beschaffenheit können Beschäftigungs-Maßnahmen notwendig sein, um vielfältige Verhaltensweisen und Erfahrungsmöglichkeiten zu erlauben, wie sie in freier Natur zu erwarten sind.

Enrichment durch Gehegebau und Materialien

Elefanten in Schönbrunn (Bild: a.sansone)

Enrichment

"Enrichment ist ein "Prinzip der Tierhaltung, das durch die Identifizierung und Erzeugung von äußeren Reizen, die für ein optimales psychologisches und physiologisches Wohlbefinden notwendig sind, auf eine qualitative Verbesserung der Tierhaltung abzielt".

Obgleich viele Zoos bereits Enrichment-Techniken anwenden, sind die Erkenntnisse dazu relativ jung und weitere Forschung und Evaluation sind notwendig. Eine regionale Vereinigung des Amerikanischen Zooverbands verlangt bereits von seinen Mitgliedern einen Environmental-Enrichment-Plan für ihren Tierbestand und einen Nachweis der Umsetzung.

Empfehlung beim Rigi-Symposion 2003

Grundsätze der verantwortungsvollen Zucht und Aufzucht von Zootieren: In Zoos gehaltene Wildtiere dürfen im Sinne einer artgemäßen Tierhaltung in ihrer Anpassungsfähigkeit nicht überfordert und in ihrer Leistungsfähigkeit nicht unterfordert werden.

Die Zoos müssen die verfügbaren Erkenntnisse und Literatur über Environmental Enrichment kennen und nutzen. Die Einschätzungen des Wohlbefindens der Tiere sollten auf "objektiven Beobachtungen" fußen. Es ist außerordentlich wichtig, dass diese Erkenntnisse in eine Verbesserung der Gehege-Gestaltung einfließen.

Was ist "Environmental Enrichment"?

Environmental Enrichment, übersetzt Umwelt-Anreicherung oder Bereicherung, ist der Prozess der Bereitstellung stimulierender Umgebung für Zoo-Tiere, damit sie ihr arttypisches Verhalten zeigen können, damit sie eine Kontrolle oder Wahl über ihre Umwelt haben, die zur Verbesserung ihres Wohlbefindens beiträgt.

Enrichment umfasst die Gestaltung von anregenden und lebensnahen Gehegen, das Bilden der entsprechenden sozialen Gruppen in Zoos, und die Einführung von Objekten, Geräuschen, Gerüchen oder anderer Reize in der Umgebung des Tieres. Umwelt-Anreicherung ist ebenso entscheidend für den Tierschutz im Zoo, wie Ernährung und Veterinärmedizin.

Braunbärbereich im Alpenzoo

Braunbärbereich im Alpenzoo (Bild: a.sansone)

Die verschiedenen Enrichement-Möglichkeiten

  • Gehege-Gestaltung: Eine Vielzahl von verschiedenen Böden,Substraten und Ebenen.
  • Training: Interaktion mit dem Pfleger und eine angemessene Ausbildung ermöglicht einem Tier sich zu beteiligen. Dies ist auch nützlich für den Erwerb des Vertrauen beim Tier und ermöglicht es dem Halter visuelle Beobachtungen über das Befinden dieses Tieres zu machen.
  • Olfaktorische Bereicherung: ein Halter kann durch natürliche Feinde oder Beute Düfte bereit stellen, zusätzlich zu neuartigen Gerüchen.
  • Auditive Bereicherung: Klänge oder Laute simulieren Dinge, die ein Tier in der Wildnis hören kann.
  • Bereicherung durch Nahrung: Dies ist die am weitesten verbreitete Form der Bereicherung. Pfleger können über die Nahrung eine Vielzahl von Möglichkeiten wie in einem einfachen Puzzle anlegen, Futter im Gehege verstecken, über das Gehege verteilen, oder in einem Substrat vergraben. Um die Nahrung zu finden, muss das Tier seine natürlichen Verhaltensweisen einsetzen oder versuchen geistig das Rätsel zu lösen.
  • Neuartige Objekte: verschiedene Objekte werden im Gehege platziert, damit das Tier seine Verhaltensweisen ausüben kann. Diese Gegenstände können Säcken, Folien, Boomer Bälle Kauspielwaren, Holzpflöcke als Beute-Ersatz, Äste oder sogar eine Hängematte sein.
  • Oft werden neue Objekte mit Lebensmitteln in Verbindung kombiniert. Zum Beispiel: Säcke können mit Heu gefüllt werden. Das Tier muss dann in den Sack gelangen um an das Heu oder die Leckereien zu kommen. Für Bären wird das Futter in Baumstämmen versteckt. Das ist ein Mordspaß für Bär, Zuschauer und Pfleger.
  • Forschung: Teilnahme an einem Forschungsvorhaben bietet geistige Anregung.

Viele dieser Enrichement-Möglichkeiten sind nicht außerordentlich kostspielig, sondern eher zeitaufwändig. Kostspieligere Enrichment-Varianten können für den Zoo sicher auch von Patenschaften für die jeweilige Tierart getragen werden. Was sowohl den Zootieren eine Hilfe ist, als auch dem Zoo und natürlich den Tierfreunden, die sich solcherart aktiv um das Wohlergehen ihres Tieres bemühen können.

Was kann uns der "Vater der Elefanten" zu Enrichment erzählen?

Voller Begeisterung erzählt Dr. Harald Schwammer vom Umbau des Elefantengeheges anno1996. Dass es ein Glücksfall gewesen sei, das neue Gehege längs ausgerichtet gestalten zu müssen. In einem quadratischen Gehege wäre diese Raumgestaltung kaum möglich gewesen. So entwickelten sich verschiedene nicht gleich einsehbare Bereiche. Ein Anreiz für die Tiere öfter hin- und her zu gehen, weil es Winkel und Ecken zu erforschen gibt, über die Ecken mit einander über Infraschall zu kommunizieren. Das kommt sowohl dem natürlichen Bewegungsdrang entgegen, als auch der Neugier.

Auch das neue Elefantenhaus bietet Spaß und Spiel, sprich Enrichment. Das muss man gesehen haben, wenn die großen Elefantenkühe Heu aus den Überkopfkörben mit ihrem Rüssel fischen und die Babyelefanten sich in einer Art Heudusche herumkugeln.

Das sogenannte Möblieren eines Geheges: verschiedene Böden – Sand, Kies, Rinde, das Wasser, die Palisaden, zwischen denen man Äste und Zweige oder auch Heu unterbringt. Die Elefanten finden das Material und müssen es selber rausholen. Sie haben damit Beschäftigungsmaterial, quasi Spielzeug, aber auch gleichzeitig Futter, Zahnpflege. Daher sei künstliches Spielzeug darüber hinaus kaum nötig. Die Tiere werden immer wieder mit etwas Neuem überrascht. In Folge ging auch das stereotype Verhalten, wie Weben, von vorher fast 50 Prozent auf knappe 5 Prozent zurück. Außerdem können sich die einzelnen Tiere der Herde auch aus den Augen gehen. Auch das ist für das Wohlbefinden einer sozialen Gruppe dringend notwendig.

Quellen

Neben persönlichen Gesprächen mit Zoodirektoren/Kuratoren von Berlin, Wien und Innsbruck/Alpenzoo, weiterführende Literatur

  • Die Welt-Zoo- und Aquarium-Naturschutzstrategie, WAZA 2005

  • Rigi Symposion

  • Smithsonian Conservation Biology Institute

  • Das A und O im Zoo, Sheridan; Schüling Verlag, 2011 Münster

  • Schriften von WAZA und Rigi-Symposion
  • und Internetrecherche
Adele_Sansone, am 12.12.2014
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Bildquelle:
a.sansone (Kapern - Woher sie kommen, wie sie aussehen und wo sie besonders gu...)
https://pagewizz.com/users/Adele_Sansone (Rosen und die Frage: Dorn oder Stachel?)

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