Cineastischer Yucatan-Asteroid: "Jurassic Park 3"

"Etwas hat überlebt", lautete die Tagline zu "Vergessene Welt: Jurassic Park", dem ersten Sequel zu Spielbergs Geniestreich. Wenig verwunderlich, angesichts dessen, dass Teil 1 als erster Film überhaupt mehr als eine Milliarde Dollar an den Kinokassen einspielen konnte. Anschließend räumte Spielberg den Regiestuhl für einen gewissen Joe Johnston, dem es 2001 gelang, mit einem einzigen Film das gesamte Franchise dermaßen gründlich in den Boden zu stampfen, dass selbst Universal Pictures die Laune an der reptiloiden Cash Cow verging.

Mit dem gebührenden Abstand von 14 Jahren kehren die Dinos endlich wieder ins Kino zurück. Ein kurioses Comeback, das in homöopathischen Dosen Sentimentalitäten ans 1990er-Kino schürt, sich aber mit Haut und Haaren zeitgemäßen Blockbuster-Formeln verschrieben hat. Denn: Wie skurril und retro der "Jurassic Park" in Colin Trevorrows "Jurassic World" anmutet, ist anhand vieler Referenzen ersichtlich.

Das Besucherzentrum aus Teil 1 ist eine verwaiste, halb zerstörte Kulisse. Nur das Tor, das den Eintritt in den Park auf der Isla Nublar darstellte, findet noch nostalgische Verwendung im ultramodernen Vergnügungspark der Superlative. Von der knallharten Businessmaus Claire (Bryce Dallas Howard, Überlebende von zwei M.-Night-Shyamalan-Gurken) betrieben, gibt sich die "Jurassic World" nicht mehr mit ein paar Pflanzenfressern, Raptoren und dem T-Rex zufrieden.

Für die Leute, räsoniert ein Mitarbeiter lakonisch, ist ein Dinosaurier inzwischen genauso langweilig wie ein Elefant im Zoo. Folglich werden immer größere und gefährlichere Arten gezüchtet, wie der Haie zum Frühstück verschlingende Mosasaurus, oder der Indominus Rex, das erste Hybridwesen aus Dinosaurier und diversen anderen Gattungen, die es schon bald zur tödlichen Gefahr für die Besucher der "Jurassic World" machen werden. Vorerst herrscht aber noch eitle Wonne unter den Besuchern. Unter allen? Nein, denn die Brüder Gray und Zack wurden von ihren Eltern hierher geschickt, um ein Wochenende mit ihrer Tante Claire zu verbringen. 

Und der iRex, der hat Zähne ...

Diese aber, eingespannt zwischen Meetings, diversen Park-Problemen und Friseurbesuchen, um ihre idiotische "Lord Helmchen"-Gedächtnisfrisur aufrecht zu erhalten, findet keine Zeit, sich ihren Neffen zu widmen, und schiebt ihre Assistentin vor. Schließlich muss sie Park-Eigentümer Simon Masrani (Bollywood-Star Irrfan Khan) über die neueste Attraktion, den Indominus Rex, unterrichten. Und Attraktionen braucht der an Besucherschwund leidende Park dringend, um seine Ausgaben decken zu können.

Finanzielle Probleme rücken jedoch schnell in den Hintergrund, als der iRex eine seiner phänomenalen Fähigkeiten frecherdings zum Ausbüchsen nützt und ein heilloses Chaos anrichtet. Sämtliche Besucher schweben in tödlicher Gefahr, darunter auch Gray und Zack, die sich von ihrer Aufpasserin weggeschlichen haben und auf eigene Faust die Anlage erkunden – keine gute Idee! Panisch bittet Claire den Raptoren-Trainer Owen (Chris Pratt) um Hilfe bei der Suche nach ihren Neffen. Was die beiden nicht ahnen: Der Indominus Rex ist nicht ihr einziger Feind …

Driving With Dinosaurs

"Jurassic Park" war vorgestern – diesem Credo frönt die "Jurassic World", der erste Film der Serie, bei dem Steven Spielberg außen vor blieb. Ironischerweise hat sich ausgerechnet der Mann, der 40 Jahre zuvor die Ära des Blockbuster-Kinos mit "Der weiße Hai" eingeläutet hatte, vom Mainstream verabschiedet. Folglich herrschte großes Misstrauen gegenüber dem Reboot der Dino-Serie, zusätzlich angestachelt von einem Trailer der Marke "Gigantomanie". Ein an der Seite von Velociraptoren Motorrad fahrender Chris Pratt und ominöse Hinweise auf einen den Spinosaurus aus Teil 3 an Bösartigkeit übertreffenden Super-Predator erschienen denn doch zu viel des Guten.

Um es gleich vornewegzunehmen: Das Ergebnis zahlreicher Script-Entwürfe und jahrelanger Arbeit kann sich sehen lassen. Wer 1993 staunend im Kino sah und um die Leben der von Raptoren und dem T-Rex bedrohten Protagonisten bangte, darf sich freilich keine Hoffnung auf eine Wiederholung des Nervenkitzels machen. "Jurassic World" ist fast durch und durch modernes Blockbuster-Kino: Überraschungsfrei, CGI-lastig und bar jeglicher Ecken und Kanten, zugeschnitten auf ein möglichst breites Publikum und somit völlig harmlos geraten.

Natürlich zog sich dieses Paradoxon bereits durch die Vorgängerfilme: Fleischfressende Monster machen Jagd auf Menschen, ohne im Erfolgsfall hektoliterweise Blut und Gedärme zu verspritzen. Selbst eine der ikonischsten Szenen des Originals, in der ein T-Rex den "blutsaugenden Anwalt" (O-Ton des ersten "Jurassic Park"-Eigentümers Hammond) in der Mitte durchbeißt, fand ohne Blut ihr Auslangen. Dabei scheute Spielberg keineswegs vor drastischen Szenen zurück, wie er etwa mit "Der weiße Hai" oder sehr viel später mit "Der Soldat James Ryan" bewies. Doch Kinder und Jugendliche als Zielgruppe der Dinosaurier auszuschließen, wäre finanziell zu gewagt gewesen, weshalb Michael Crichtons durchaus blutrünstige Romanvorlage gründlich entschärft worden war.

Jurassic Disney World

Von Altmeister Spielberg dürfte sich Colin Trevorrow so Einiges abgeschaut haben, Referenzen an Teil 1 inklusive. Das mag man dreist nennen, überraschenderweise geht diese Rechnung jedoch auf. Vom bereits erwähnten Besucherzentrum bis hin zu witzigen Anspielungen auf das Merchandising – einer von Claires Mitarbeitern trägt ein auf eBay teuer ersteigertes "Jurassic Park"-T-Shirt, was sie "geschmacklos" findet – darf sich der Fan des Originals an den vielen Anspielungen erfreuen. Kurios ist freilich, dass "Jurassic World" der erste Film der Reihe ist, in welchem der Park tatsächlich für Besucher geöffnet ist.

Hier spielt der Streifen eine seiner Stärken aus: Der Themenpark wirkt nicht nur durchdacht, sondern auch - Dinos exklusive – realistisch. Die aus Disneyworld bekannten Monorails bringen die Besucher zu den jeweiligen Attraktionen, etwa einer an SeaWorld angelehnten Wassershow, in der statt Delphinen oder Orcas ein Mosasaurus seine Runden dreht, diverse Streichelzoos mit putzigen Dino-Jungen, auf denen Kinder wie auf Ponys reiten können, oder Besucherzentren mit Hologrammen.

Monorail in Disneyworld

Monorail in Disneyworld (Bild: http://pixabay.com)

Fast ebenso bissig wie einige der Dinosaurier geraten Kommentare wider die Über-Kommerzialisierung. Oder wie der nerdige Sidekick so treffend feststellt: Warum erschafft man keinen Pepsisaurus?

Aus den Sicherheitslücken des ersten Teils hat man jedoch nicht gelernt. Logischerweise, sonst gelänge dem Indominus Rex nicht jener Ausbruch, der die Besucher das Fürchten lehren wird. Über die Art und Weise, wie der Super-Predator ausbricht, und wie die Park-Leitung, also Claire, darauf reagiert, sollte man besser nicht nachdenken. Sinn und Verstand werden immer dann ausgesetzt, wenn es dem Plot dienlich ist, und das gilt wie für jeden Teil der "Jurassic Park"-Serie selbstverständlich auch für "Jurassic World". Hierbei überspannt der Film den Bogen so manches Mal, etwa dann, wenn ein Team zur Jagd auf den Indominus Rex losgeschickt wird. Wohlgemerkt: Nicht mit schweren Waffensystemen, sondern mit Tasern, um den wertvollen Hybrid-Dino nicht zu töten. Wie großartig diese Idee ist, kann sich der Zuschauer ausrechnen, ebenso wie die Frage, ob Regisseur Colin Trevorrow mit dieser Szene eine Hommage an "Aliens" erweisen wollte. Antwort: Definitiv.

Überhaupt lassen sich zahlreiche Verweise auf andere Filme finden, wie "Die Vögel" oder japanische "Godzilla"-Kloppereien. Die Story-Line selbst folgt bekannten Mainstream-Mustern, inklusive Figuren aus dem Anfänger-Set für Charakterisierungen: Das karrieregeile junge Mäuschen, das spät, aber doch, erkennt, was die wahren Werte im Leben sind (Familie, Kinder, Mann), das ungleiche Brüderpaar (der ältere triezt den jüngeren, entdeckt im Moment der Gefahr aber natürlich, dass man zusammenhalten muss), der coole Draufgänger, der zwar die mit Abstand kompetenteste Person ist, jedoch nicht für voll genommen wird, der Bösewicht, und natürlich das Dino-Futter. Wobei nicht einmal das Raten, wer verspachtelt werden wird, Spannung erzeugt, weil gar zu offensichtlich als trügen die entsprechenden Figuren T-Shirts mit der Aufschrift: "10 von 10 Dinos würden mich fressen!"

Zu viel CGI, zu wenig Spannung

"Jurassic World" laboriert letzten Endes an einem Problem, das den meisten modernen Blockbustern gemein ist: Overkill an CGI und an Figuren. Die Spannungsmomente in "Jurassic Park" gewannen durch akzentuierte, sorgfältige Auswahl an Intensivität. Jeder, der diesen Film gesehen hat, wird sich an das erste Auftauchen des T-Rex, ja, sogar an das dräuende Unheil, durch ein Wasserglas (!) vorweggenommen, erinnern können. Der Angriff selbst zählt inzwischen zu den Klassikern des Actionkinos, obwohl der Bodycount (1, in Worten: Eins) überschaubar ist. Und dennoch erzeugt diese eine Szene weitaus mehr Spannung, als der Ausbruch des Indominus Rex und sämtliche weitere Dinosaurier-Angriffe. Mitunter beschleicht den Rezensenten das Gefühl, Regisseure bedürften einer Nachschulung, wie Nervenkitzel entsteht. Riesige Monster mit möglichst vielen Zähnen auf Menschen loszulassen ist nett anzusehen, aber weniger aufregend als Platz 1 der Bundesligatabelle am letzten Spieltag.

Leider setzt auch Colin Trevorrow voll und ganz auf den CGI-Overkill. Nun ist gegen den sinnvollen Einsatz von CGI natürlich nichts einzuwenden, im Gegenteil: Viele Szenen könnten ohne Computertechnik gar nicht oder nur auf die Godzilla-Methode – Spielzeuglaster und Städte aus Pappe – inszeniert werden. Trotz aller Perfektion vermögen CGI-Figuren das Auge nicht auszutricksen. Der T-Rex-Angriff aus "Jurassic Park" hat nichts von seiner Dramatik verloren, da geschickt CGI-Technik mit Modellen verknüpft wurde. Bei Einstellungen, die den T-Rex in voller Leibespracht zeigen, kam der Computer zum Einsatz. In Nahaufnahmen ist hingegen immer ein animatronischer Kopf zu sehen, und somit ein Modell, das tatsächlich existiert. Um die damals weniger ausgereiften CGI-Möglichkeiten zu verschleiern, erfolgte die T-Rex-Szene nachts bei strömenden Regen. In "Jurassic World" springen einem die Dinosaurier bei Tageslicht förmlich ins Auge – und mit ihnen die unnatürlich glatten Bewegungen, was mitunter mehr an ein Computerspiel, als an einen Film erinnert.

And thus selfies were born

And thus selfies were born (Bild: http://pixabay.com)

Nun setzt auch "Jurassic World" ganz trendy auf 3D, das für die Kinos/Studios den Vorteil höherer Eintrittspreise bietet. Wie bei vielen anderen Filmen erweisen sich die 3D-Effekte jedoch als überflüssiges Gimmick ohne visuellen Mehrwert. Tatsächlich erstaunt es, dass gerade bei einem CGI-lastigen Actionabenteuer nicht mehr aus den Effekten herausgeholt wird. Anders als im in dieser (und leider nur dieser) Hinsicht revolutionären "Avatar" taucht man als Zuschauer nie in diese Welt ein und darf sich mit ein paar Innenansichten aufgerissener Mäuler begnügen.

Wird "Jurassic World"-Star Chris Pratt der neue Indiana Jones?

Der Plan, mit dem Indominus Rex eine neue Kult-Bestie heranzuzüchten, geht nicht auf. Trotz einiger genmodifizierter Fähigkeiten, die an dieser Stelle natürlich ungespoilert bleiben, hält der iRex dem Vergleich mit dem realeren Vorbild T-Rex nicht stand, zumal er jede seiner durchaus respektablen Meisterschaften nur jeweils ein einziges Mal einsetzt. Der erhoffte Hype um den neuen Super-Predator verpufft somit und der T-Rex ist und bleibt der furchteinflößendste, faszinierendste Fleischfresser im Jurassic Park bzw. in der Jurassic World. Größe ist eben doch nicht alles – eine tröstliche Vorstellung für so manchen Zeitgenossen …

Ungeachtet seiner blockbustertypischen Schwächen bietet der Streifen eine solide zweistündige Rummelschau, die zwar null Spannung, aber auch keinerlei Langeweile bietet. Gleich den "Transformers"-Filmen oder dem eher vergleichbaren "Pacific Rim", werden Gewaltdarstellungen comichaft unblutig gezeigt oder die Konsequenzen gänzlich ausgeblendet. Für einen ungetrübten Blick auf den Dino-Park empfiehlt sich weiterhin Michael Crichtons bahnbrechender Roman, der nicht nur erheblich blutrünstiger ist, sondern auch eine überraschend düstere Atmosphäre bietet.

Explizit vor den Vorhang muss man Chris Pratt holen, der schon in "Guardians of the Galaxy" sein komödiantisches Talent bewies und auch in "Jurassic World" für die wenigen Lacher im ansonsten bierernsten Spektakel sorgt. Gerüchteweise soll er Harrison Fords Erbe als Indiana Jones antreten. Und es fällt schwer, sich derzeit einen anderen Darsteller für die Rolle vorzustellen, solange man Harrison Ford weder klonen, noch gentechnisch 40 Jahre verjüngern kann.

Fazit: An die ersten beiden Teile reicht "Jurassic World" natürlich nicht heran. Ebenso natürlich stellt er den grottenschlechten dritten Teil in den Schatten. Eine Fortsetzung ist angesichts des überwältigenden Erfolges ohnehin beschlossene Sache, auch wenn sich Drehbuchautoren gehörig die grauen Zellen anstrengen werden müssen, wie sie einen neuen Themenpark rechtfertigen können, nachdem die Sache zweimal in Folge gehörig in die Hose ging. Um abschließend Jeff Goldblum aus "Jurassic Park" zu zitieren: "Das Leben findet einen Weg!" – Hollywood auch …

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