Dornen oder Stacheln, das ist hier die Frage?

Dornen - oder doch Stacheln? (Bild: a.sansone)

Was sind Dornen? Was sind Stacheln?

Ein Faktum ist sicher: Beide sind spitz, beide stechen. Dennoch unterscheidet der Botaniker Dorn von Stachel. Nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil sie unterschiedlich von der Pflanze aufgebaut werden.

 Ganz vereinfacht erklärt:

 

 

Als Dorn wird ein hartes verholztes zugespitztes Pflanzenteil bezeichnet, das aus einem Blatt oder einem Seitenspross entsteht. Es lässt sich nicht einfach ablösen. Leitbündeln versorgen den Dorn mit Nährstoffen.

 

 

 

Ein Stachel ist ein scharfer stechender Auswuchs/Ausstülpung an der Oberhaut/Rinde. Dieser lässt sich leicht lösen. Er wird nicht speziell versorgt.

 

Da beschleicht den botanischen Laien sofort die bittere Erkenntnis: Rosen haben keine Dornen, denn diese piecksenden Auswüchse kann man relativ leicht abbrechen.

Bravo! Wieder was dazu gelernt.

Und wie ist das mit Stacheln von einem Kaktus?

Ganz richtig misstrauisch geworden. Diese sind natürlich, wie könnte es auch anders sein, eben keine Stacheln sondern Dornen. "Geh schau!", kann man da nur sagen.


Wer bitte hat uns da sprachlich buchstäblich einen Bären aufgebunden? Ist das reine Botanikerverarsche, damit die zeigen können, wie dumm doch der mittelmäßige Mensch ist?

 

Stacheln

Rosenstachel (Bild: a.sansone)

Woher kommt diese Sprachverwirrung? Gibt es sie nur im Deutschen?

Das germanische Wort "Dorn", engl.=thorn, schwedisch= torn geht auf eine idg. Wurzel starr, steif sein zurück.

Stachel stammt im Deutschen von Stich, mhd. Stachel, mit dem ursprünglich spitze Geräte (Viehtreibestock) und stechende Spitzen von Pflanzen oder Tieren benannt wurden her.

Klärt leider nicht, warum der Volksmund die Stacheln der Rosen als Dornen bezeichnet. Geht es in anderen Sprachen auch so missverständlich zu?

Nicht ärgern, andere Sprachen andere Sitten:

Die romanischen Sprachen tun sich leichter. Bei ihnen haben Rosen "spine", sind "spinosa" und spina gilt sowohl für Dorn als auch Stachel. Clever gelöst. Allerdings haben sie auch noch diverse Variationen für Insektenstachel etc.

Die Engländer, Indogermanen wie wir, sind ebenso verwirrend dran: Stacheln (von Rosen) werden thorn genannt (auch nicht klüger als wir), sind aber botanisch prickles. Stacheln (von Kakteen) heißen spine und die vorher genannten thorns sind Sonderformen von Dornen. Also noch um eine Stufe komplizierter.
 

Sprachforscher wissen manches ... besser?

*Die Vermutung, dass sich diese Verirrung im Gebrauch der Begriffe aus den Besonderheiten der Lexika in den Fachsprachen, die außerdem jahrhundertelang auch noch dazu auf Latein oder Griechisch beschränkt waren, ergeben hat, ist groß.

 

Ein Zitat aus Hilke Elsen, Wortschatzanalyse, "Fachwörter sind definiert, das heißt in ihrer Bedeutung festgelegt, im Gegensatz zu der Allgemeinsprache. Hier kann es zu Dubletten kommen, manchmal mit gegenläufiger Bedeutung. Siehe Dorn und Stacheln."

 

Hilke Elsen. 2013. Wortschatzanalyse (UTB 3897). Tübingen, Basel: A. Francke. x, 244 S.)

 

Allerdings ließ sich (jedenfalls von mir) trotz intensiver Recherche nicht klären, wann diese botanische Dornen-Stachel-Verwirrung tatsächlich begonnen hat.

  • Rosen haben Stacheln, keine Dornen

  • Kakteen haben keine Stacheln, sondern Dornen

Rosen (Bild: a.sansone)

Wozu tragen Pflanzen überhaupt Dornen oder Stacheln?

  • Abwehr vor Fressfeinden,
  • Kletterhilfe und
  • Hilfe vor Verdunstung sind die Hauptargumente.

Dornen:

Hier am Beispiel Kakteen erklärt. Kakteen haben sich an ihre Umwelt perfekt angepasst. Viel Sonne, viel Wind, kaum Wasser. Dazu viele hungrige und durstige Tiere, die ihnen ans "Blatt" wollen. Also entwickelten Wüstenpflanzen ihre Blättern zu Dornen, um die Verdunstung so gering wie möglich zu halten. Die Fressfeinde nahmen auch rapide ab. Perfekt. Die Dornen der Kakteen sind umgewandelte Blätter. Manche dieser Dornen sind rau, hier sammeln sich kostbare Tröpfchen von Tau, Verdunstung oder Nebel und ergänzen somit die Wasserversorgung.

Dornen sind umgebildete Blätter oder Nebenblätter oder Zweige. Sie stehen am Ende der Zweige oder an Stängelknoten oder sind zugespitzte Teile von Blättern. Sie sind mit Leitbündeln durchzogen, die die Dornen versorgen. Dornen können daher auch nicht ohne Verletzung für die Pflanze entfernt werden, wie Stacheln.

Dornen kommen sehr häufig bei Pflanzen auf Trockenstandorten vor, bei Xerophyten und Sukkulenten. Ein charakteristisches Beispiel ist die Gattung Wolfsmilch (Euphorbia), bei der verschiedene Dornenbildungen vorkommen: verbreitet Nebenblattdornen, daneben Langtriebdornen (Euphorbia lignosa, Euphorbia gariepina), sterile Blütenstandsstiele (Euphorbia horrida, Euphorbia enopla) und Blattbasendornen (Euphorbia hamata).(Quelle Wikipedia)

 

Stacheln:

Stacheln am Beispiel Rose: Ein typisches Kennzeichen von vielen Rosen sind Stacheln. Der Stamm, die Äste und Zweige von Rosensträuchern und Kulturrosen sind mit Stacheln besetzt. Einerseits schützen sie die Pflanze davor, von Tieren gefressen zu werden. Zum anderen dienen sie Arten wie der Kletterrose dazu, sich an anderen Pflanzen, Wänden oder speziellen Gerüsten festzuhalten, wenn sie wachsen. Bodennah sind sie also Verteidigungsstrategie, an den langen Trieben sind sie natürliche Rankhilfe.

Ein Stachel ist bei Pflanzen ein zugespitzter Vorsprung an der Sprossachse (Stängel/Stamm) oder am Blatt, auch an der Unterseite etwa. Stacheln besitzen keine Leitbündel. Stacheln lassen sich leicht von der Pflanze lösen.

Fazit: Weh tun beide Auswüchse, kratzen kann man sich auch an beiden; also - fern bleiben oder guten Schutz verwenden.

Botanische Bezeichnungen, die bereits auf "Spitzfindigkeiten" hinweisen

Rette sich wer kann vor Pflanzen, welche folgende botanischen Bezeichnungen im Artnamen tragen:

  • acanthos, acanthoides, acanthoclada, acanthothamnos, aculeatus, acutus, oxyacantha, spinosa oder spinosum

idg: ak=spitz, gr. akaina=Spitze, Stachel, akantha=Dorn, Distel, lat. aculeatus=dornig, stechend, acutus=scharf, spitz; oxyacantha=Strauch mit spitzen Dornen, spina=Dorn, Stachel, spinosus/spinosa=dornig, stachelig.

Die sind alle stachelig!

Brombeerzweig mit Blatt und Stacheln (Bild: domeckopol / Pixabay)

Diese Pflanzen tragen Stacheln

Hier sind einige der Pflanzen angeführt, welche eindeutig Stacheln tragen, auch wenn die eine oder andere als "dornig" vom Volksmund bezeichnet wird.

  • Stachelbeere Ribes uva-crispa (Grossulariaceae), gerade sehr feste Stacheln unterhalb der Knospen, Stacheln einfach oder dreiteilig
  • Himbeere Rubus idaeus
  • Kratzbeere Rubus caesius eher gerade Stacheln
  • Brombeere Rubus fructicans feste Stacheln, nach unten gebogen
  • Jap. Weinbeere Rubus phoeniculasius
  • Alle Rosen Rosa ...
Wir tragen Dornen!

Echinocactus grusonii (Bild: a.sansone)

Diese Pflanzen haben Dornen

Am bekanntesten sind uns die Dornen von Bäumen oder Sträuchern. Hier folgt eine kleine Auswahl bekannter Bäume oder Sträucher.

  • Bocksdorn Lycium hamilifolium dornge Zweige, Bocksdorn Lycium barbarum sehr lange aufrechte Dornen
  • Christusdorn Euphorbia millii
  • Gleditschie Gleditschia triacanthos mit der Dornenkrone per Legende verknüpft
  • Feuerdorn/Japanische Quitte Cydonia japonica
  • Gaspeldorn Ulex europaeus
  • Kreuzdorn Rhamnus cathartica, Dornen in Kreuzform in den Gabeln, auch am Zweigende
  • Mäusedorn Ruscus aculeatus, seine Stacheln sollten Mäuse vom Speck und Käse fernhalten
  • Sanddorn/Seedorn Hippophae rhamnoides Dornstrauch auf sandigem Boden
  • Sauerdorn/Berberitze/Dreidorn Berberis vulgaris, umgebildete Blätter, Dornen zu dreien angeordnet
  • Schotendorn Robinia pseudacacia Baum mit Dornen, der Hülsen trägt
  • Schwarzdorn/Schlehe Prunus spinosa, Zweige in Dorn auslaufend, insgesamt sehr dornenbewehrt, Rindenfarbe sehr dunkel
  • Sanddorn Hippophae rhamnoides, Ölweidengewächse, dornig bewehrt
  • Weißdorn Crataegus krataisos=widerstandsfähig, (Dornen sind umgebildete Sprosse) 
  • Eingriffeliger Weißdorn C.monogynus 1 Dorn in den Achseln, Zweigspitzen ebenfalls dornig
  • Zweigriffeliger Weißdorn C. oxyacantha Dornen am Zweigende
  • Wildbirne/Holzbirne Pyrus piraster, untere Zweige enden in Dornen! Rosaceae.

Auch sie tragen Dornen

  • Dornige Hauhechel Ononis spinosa, doppeldornige Zweige
  • Kriechende Hauhechel Ononis repens nur, 1 Dorn an Zweigspitze
  • Agaven
  • Kakteen

Mannstreu (Bild: a.sansone)

  • Backenklee Dorycnium fulgurans
  • Dornige Königskerze Verbascum spinosum
  • Dornige Bibernell Sarcopterium spinosum
  • Dornpolsterflockenblume Centaurea spinosa
  • Dornbusch-Wolfsmilch Euphorbia acanthothamnos
  • Dornginster Calicotome villosa
  • Dorniger Ginster Genista acanthoclada
  • Mannstreu Eryngium
  • Stachelträubchen Coris monspeliensis
  • Stechendes Sternauge Pallenis spinosa, gedornte Hüllblätter

Eryngium maritimum (Bild: a.sansone)

Haben Disteln Stacheln, Dornen oder ganz was anderes?

Disteln tragen entweder echte Dornen (Syrische Kratzdistel/ Notobasis syriaca) oder Hüllblätter/Deckblätter (Brakteen), die dornig zugespitzt sind; aber keine Stacheln.

Distel, engl- tease=zupfen, Cardus lat. cardo=spitz

Die längsten Dornen

... tragen Vertreter der Schmetterlingsblütler/Hülsenfrüchte (Fabaceae), nämlich die Gleditschien. Bis zu 15 cm lang werden die Dornen, die netterweise auch den Stamm besiedeln. Also da möchte man nicht hochklettern müssen. 

Aber auch der Hahnensporn-Weißdorn, Crataegus crus-galli mit bis zu 8cm langen Dornen ist nicht zu verachten.

Ebenfalls nicht ohne ist ein Vertreter der Opuntien, Opuntia phaeacantha longispina.

Gleditschie Dornen am Stamm (Bild: a.sansone)

Sah ein Knab ein Röslein stehn und Dornröschen - botanisch korrekt?

Jaja, leider leider müssen wir heute den Gebrüdern Grimm mit dem Dornröschen mahnend den erhobenen Zeigefinger entgegenstrecken und sagen: "Habt wohl im Botanikunterricht nicht gut aufgepasst!"

Meister Goethe war schon viel schlauer, denn er sprach zwar vom Stechen, erwähnte aber mit keinem Wort, womit sein Heidenröslein sticht.

Aber da es sich in diesen Fällen um Poesie und Fantasie handelt, wollen wir großzügig sein und dem Röschen seine poetischen Dornen lassen.

 

Neuntöter (Bild: MrLebies / Pixabay)

Sie leben in Dornen- oder Stachelgebüsch

Nur der Vollständigkeit halber. Natürlich sollen Stacheln und Dornen Tiere abwehren; allerdings mit Abwehr ist dabei das "Gefressen werden" gemeint. Als Wohnstätte dürfen sich Tiere gerne das Dornengebüsch aussuchen, da haben die Pflanzen nichts dagegen.

Ein paar Dorn-Bewohner gefällig:

  • Dorngrasmücke Sylvia communis lebt gerne in dornenbewehrten Hecken. Dass sie beim Naschen der dargebotenen Früchte auch zu deren Vermehrung beiträgt, ist doppelt schön.
  • Dornwürger/Neuntöter Lanius collunio; er bewahrt seine Beute aufgespießt auf Dornenhecken.

Sie tragen die Rosen nur in ihrem Namen ....

...und garantiert keine Stacheln und schon gar keine Dornen.

Interessante Fakten zu diesen beliebten Gartenpflanzen

Quellen

  • Kosmos Atlas Mittelmeer- und Kanarenflora, Schönfelder; Franckh-Kosmos Verlag, 2011 Stuttgart
  • Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen, Genaust; Nikol Verlag, 2012 Hamburg
  • Bäume bestimmen, Rita Lüder; Haupt Verlag, 2013 Bern
  • Blick ins Buch der Natur, Bardorff; Gutenberg, 1963
  • Bäume Mitteleuropas, Roloff/Weisgerber/Lang/Stimm; Wiley-VCH, 2010 Weinheim
Adele_Sansone, am 02.04.2016
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Bildquelle:
Maggi_94/Flickr (Stockrosen sind keine Rosen ohne Dornen)
a.sansone (Kapern - Woher sie kommen, wie sie aussehen und wo sie besonders gu...)

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