Sind das alles Disteln?
Sie waren sogar Staude des Jahres 2019, die Disteln. So werden umgangssprachlich mit Dornen bewehrte, "stachelige" Pflanzen bezeichnet. Aber wer sind nun "echte" Disteln oder gibt es die gar nicht?Cirsium arvense (Bild: a.sansone)
Disteln, ah, welch schreckliches Unkraut!
Schreien gleich ganz viele Gärtner auf. Diese haben aber sicher noch nie eine der Edeldisteln in ihren Garten gelassen. Bei Disteln trifft nämlich auch das Motto zu: Bestechend schön!
Auf Grund der großen Vielfalt beschränke ich mich hier auf großenteils heimische Disteln, bis auf einige besonders bekannte oder spektakuläre Ausnahmen, wie Berkheya, Cynara, Onopordium ...
Wunderschön (Bild: Capri23auto / Pixabay)
Den Disteln und ihrem Namen auf der Spur!
Was ist eine Distel?
Da muss man fragen: Was ist das hervorstechendste Merkmal? Im echten Sinn des Wortes – das Stechen. So sind wir dem Namen bereits auf den Fersen.
- Der Begriff Distel geht auf indogermanische Ursprünge zurück und bedeutet etwa "spitz" oder "stechen". Wortherkunft: ahd distil, mhd distel. Im engl thistle, das wiederum ist verbunden mit engl tease=zupfen.
Die verschiedenen Gattungen wiederum gehen auf diese sprachlichen Ursprünge zurück:
- Cirsium= gr. kirsos=Distel;
- Carduus= lat. cardo=spitz, Spitze;
- Kugeldistel (Echinops) von lateinisch echinus = Igel und griechisch opsis = Aussehen, Gesicht; das weist auf die Ähnlichkeit der Köpfe mit einem zusammengerollten Igel hin.
- Eselsdistel (Onopordum) setzt sich aus gr. ónos für Esel und porde für Blähung zusammen. Also hieße sie eigentlich "Eselsfurz". Ist ja auch ganz lustig.
Grundrosette der Kratzdistel, Cirsium vulgare (Bild: a.sansone)
Botanischer kleiner Ausflug: Welche Pflanzenfamilie hat nun Disteln?
Frage eins: Welche Familie hat Disteln?
Distel ist keine botanische Bezeichnung, dennoch sind der Großteil der eigentlichen Disteln in einer Familie, nämlich den Korbblütlern zu finden.
(Familie Korbblütler Asteraceae, Unterfamilie Carduoideae, Tribus Cynareae.)
Der Kelch ist bauchig und schuppig, die Schuppen dachziegelförmig gelagert, meist dornig, der Fruchtboden mit Borsten oder Zottenhaaren besetzt. Die Blüten des Köpfchens sind röhrenförmig, zuweilen sind die randständigen Röhrenblüten vergrößert und leicht zygomorph. Die fünf Kronblätter sind röhrig verwachsen. Die Farbpalette der Kronblätter reicht von weißlich über gelb und von rosa- über purpurfarben bis blau.
Frage zwei: Haben Disteln Stacheln oder Dornen?
Die Spitzen an Blatt und/oder auch Stängel sind Dornen. Die Früchte (Achänen) sind durchwegs mit Flugkörpern (Pappus) versehen.
Dazu gehören:
- Ringdisteln (Carduus)
- Golddisteln/Eberwurzen (Carlina)
- Färberdisteln (Carthamus)
- Kratzdisteln (Cirsium)
- Kugeldisteln (Echinops)
- Milchfleckdisteln (Galactites)
- Eselsdisteln (Onopordum)
- Elfenbeindisteln (Ptilostemon)
- Mariendisteln (Silybum)
- Gänsedisteln (Sonchus)
und wegen ihrer Schönheit hier erwähnt, eine Südafrikanerin, nämlich
- Purpurdistel (Berkheya purpurea)
Das kleine Distel Einmaleins
Carduus defloratus, Alpen-Distel (Bild: a.sansone)
Ringdisteln (Carduus) mit etwa 90 Arten sind in Eurasien und Afrika verbreitet. Die Pappushaare sind nicht gefiedert.
- Nickende Distel, Carduus nutans
- Krause Distel, Carduus crispus
- Kletten-Distel, Carduus personata
- Berg-Distel/Alpen-Distel, Carduus defloratus
- Weg-Distel, Carduus acanthoides
- Schmalköpfige Distel, Carduus tenuiflorus
Carlina acaulis, Silberdistel (Bild: a.sansone)
Eberwurzen oder Golddisteln (Carlina) sind kalkliebend, Die zungenförmigen Hüllblätter des Blütenstandes schließen oder öffnen sich in Abhängigkeit von der aktuellen Luftfeuchtigkeit => Donnerdistel.
- Silberdistel (Carlina acaulis), auch Stängellose Eberwurz/Wetter-Eberwurz/Donnerdistel
- Golddistel (Carlina vulgaris), auch Gemeine Eberwurz genannt.
Carthamus tinctoria (Bild: a.sansone)
Färberdisteln (Carthamus) etwa 14 Arten reicht vom Mittelmeergebiet bis nach Vorderasien.
- Färberdistel, Carthamus tinctoria
- Saflor, Carthamus lanatus
Cirsium palustre, Sumpf-Kratzdistel, Federhaare am Pappus (Bild: a.sansone)
Kratzdisteln (Cirsium), etwa 200 Cirsium-Arten sind in Nordamerika, Eurasien und Afrika verbreitet. Die Gattung hat einen gefiederten Pappus, d.h. die Flughaare sind seitlich fein behaart.
- Gewöhnliche Kratzdistel, Cirsium vulgare
- Sumpf-Kratzdistel, Cirsium palustre
- Ackerdistel/Ackerkratzdistel, Cirsium arvense
- Wollkopf-Kratzdistel, Cirsium eriophorum
- verschiedenblättrige Kratzdistel, Cirsium helenioides
- Stängellose Kratzdistel, Cirsium acaule
- Berg-Kratzdistel, Cirsium montanum
die gelbblühenden
- Klebrige Kratzdistel, Cirsium erisithales
- Gelbe Kratzdistel/Kohldistel,Cirsium oleraceum
- Alpen-Kratzdistel, Cirsium spinosissimum
Kugeldisteln (Echinops) heimisch in Südeuropa
- Große Kugeldistel/Bienen-Kugeldistel Echinops sphaerocephalus, als Bienenfutterpflanze kultiviert.
- Hohe Kugeldistel, Echinops exaltatus
Echinops exaltatus, Hohe Kugeldistel (Bild: a.sansone)
Milchfleckdisteln (Galactites)- besonders weit verbreitet im Mittelmeergebiet, etwa auf Menorca, siehe Bild (Menorquiner auf Milchfleckdistel-Weide), oder in Griechenland, Süditalien, Spanien.
- Filzige Milchfleckdistel, Galactites tomentosus
Die Eselsdistel (Onopordum) - ihrer Größe der Blütenköpfe wegen kann man sie wie Artischocken verwenden.
- Eselsdistel, Onopordum acanthium
Eselsdistel im Botanischen Garten Innsbruck (Bild: a.sansone)
Die Mariendisteln (Silybum)
Die Gattung Silybum umfasst zwei Arten:
- Silybum eburneum, beheimatet in Spanien, Marokko, Algerien und Tunesien.
- Mariendistel, Silybum marianum; sie kann man relativ problemlos auch bei uns halten.
Mariendistel (Bild: a.sansone)
Gänsedisteln (Sonchus) weitere Trivialnamen sind Milchdisteln oder Saudisteln. Die Gänse- oder Gänsekohldistel, gelb blühend, haben entgegen der anderen hier angeführten Disteln keine Röhrenblüten sondern nur Zungenblüten.
- Acker-Gänsedistel Sonchus arvensis
- Kohl-Gänsedistel Sonchus oleraceus
- Dornige Gänsedistel Sonchus asper
Ptilostemon afer (Bild: anro0002 / Flickr)
Elfenbeindisteln (Ptilostemon), sie kommt auf der Balkanhalbinsel mit Bulgarien und Rumänien und in der Mittel- und Ost-Türkei vor.
- Elfenbeindistel, Ptilostemon afer
Benediktenkraut/Bitterdistel, Heildistel hat innerhalb der Asteraceae die Gattung gewechselt und zählt nun zu Centaurea, damit zu den Flockenblumen.
- Benediktenkraut, Centaurea benedicta/früher Cnicus benedictus.
Diese Pflanzen bezeichnet man ebenfalls als Disteln
Wegen ihrer äußerlichen Ähnlichkeit werden die Karden (Dipsacus) und der Mannstreu (Eryngium) ebenfalls als Disteln oder aber Distelartige angesprochen. Auch die Artischocke, Cynara, ist keine Distel, sondern nur distelartig. Na bitte.
Kardedistel, Weberdistel, Dipsacus fullonum
Mannstreu (Eryngium), auch Edeldisteln genannt, ist eine Gattung der Doldenblütler (Apiaceae). Siehe Miss Willmott's Ghost.
Sind manche Disteln auch Heilpflanzen?
Ein eindeutiges "Ja"! Die Mariendistel ist eine wertvolle Heilpflanze für die Leber. Zum einen schützen ihre Extrakte die Leberzellen vor dem Eindringen von Giftstoffen, zum anderen fördert es die Regeneration von bereits geschädigten *Leberzellen. Schon seit der Antike wird die Mariendistel als Heilpflanze genutzt, ihre heilsame Leberwirkung entdeckte der Arzt Johann Gottfried Rademacher im 19. Jahrhundert.
*Letzte Hilfe bei Knollenblätterpilz-Vergiftungen ist zB. konzentriertes Silymarin.
Lesetipp:
Färberdistel - Saflor - Carthamus tinctorius - ... | 6 x Echinops Ritro 'Veitch's Blue' - Kugeldiste... |
Kann man Disteln essen? Oder muss man dazu ein Esel sein?
Distelöl ist ein wertvolles Öl mit ungesättigten Fettsäuren, aus den Samen der Färberdisteln (Carthamus) gewonnen. Weitere Distelsamen als Grundlage für Distel(samen)öl sind: Nickende Distel, Ruthenische Kugeldistel, Benediktenkraut, Mexikanischer Stachelmohn und Eselsdistel.
Eine distelartige Pflanze, die mittlerweile auch hierzulande gern auf dem Teller landet, ist die Artischocke.
Aber auch die wild wachsenden Disteln kann man in der Ernährung verwenden:
- Sonchus asper, Raue Gänsedistel: Stängel kleinschneiden, mit Wasser den weißlichen Saft auswaschen und als Pfannengemüse oder im Salat essen. Mit Schere die Dornen entfernen.
- Cirsium oleraceum, Kohldistel: Stiele, Blätter gedünstet, wie Spinat, weichdorng, wenig stechend, auch Blütenboden ähnlich Artischocke verwendbar.
- Carduus crispus, Krause Distel: Blätter und Triebspitzen, Dornen abschneiden, wie Spinat oder auch roh essen. Alle Carduus-Arten sind ähnlich, schmecken leicht wie Weißkohl.
- Cirsium vulgare, Kratzdistel: Wurzeln säubern, schälen, backen oder kochen; Stängel und Blätter schmecken ähnlich wie Mangold. Blütenblätter als essbare Deko.
Eryngium alpinum (Bild: a.sansone)
Frage drei: Welche Disteln sind besonders schön für den Garten?
Was brauchen Disteln?
Die meisten Disteln, ob edel oder naturbelassen, benötigen trockenen durchlässigen Boden. Viele sind sogar wahre Überlebenskünstler auf eher pflanzenfeindlichen Standorten. Warum also nicht einen trockenen steinigen, sonnigen Bereich mit einer Distelschönheit aufpeppen?
Kugeldisteln (Echinops) und Edeldisteln (Eryngium) sind Stauden, die jedes Jahr neu austreiben, alle anderen sind zweijährige Pflanzen. Bilden im erstes Jahr die Grundrosette, erst im zweiten Jahr erfolgt die Blüte. Samen sich selbst sehr bereitwillig aus!
Besonders schön in Wuchs und Farbe sind:
- Kugeldistel Echinops ritro "Veitch's Blue"
- Alpen Mannstreu Eryngium alpinum "Blue Star"; beide mit blauen Köpfen
- Purpur-Kratzdistel Cirsium rivale "Atropurpureum"; nicht nur die Purpurfarbe ist ein Genuss, sondern auch, dass sie durch Züchtung keine keimfähigen Samen ausbildet und sich daher nicht wild verbreitet.
- Eryngium variifolium hat nicht nur bizarr anmutende Laub- und Hüllblätter sondern auch silbergraue Köpfe
- Eryngium borgatii wiederum ist kobaltblau; auch verblüht ein schöner Anblick.
- Blass-purpurfarben ist die nachfolgende Distel aus Südafrika: Purpurdistel Berkheya
Übrigens, wunderbare Begleiter für hohe Disteln sind Gräser.
Berkheya purpurea (Bild: a.sansone)
Purpurdistel (Berkheya purpurea)
Heimat Südafrika, wo sie auf steilen Hängen bis zu 3.000m hoch steigt. Wuchshöhe 70cm und mehr, auf trockenen sonnigen Standorten. Blütezeit VII-IX. Kälte macht ihr wenig aus, aber nasse Böden im Winter sind ihr ein Graus. Auf trockenen Standorten mit Reisig bedecken.
Was haben folgende drei Persönlichkeiten gemeinsam? Disteln sind der gemeinsame Nenner.
Der nordische Gott Donar und die Donnerdistel
- Die aus den Alpen bekannte Silberdistel hat auch noch den Beinamen: "Donnerdistel oder Wetterdistel" Der Kranz aus trockenen silberweiß glänzenden Hüllblättern schließt sich nämlich, sobald sich die Luftfeuchtigkeit erhöht. Die Unterseite der Hüllblätter quillt auf und setzt so die Schließbewegung in Gang (hygroskopische Bewegung).
- Erst wenn es wieder trocken ist, die Sonne wieder scheint, öffnen sich die Körbe wieder. So heißt diese Distel nach dem nordischen Donar auch "Donnerdistel".
Karl der Große, Carolus Magnus
- Na? Klingelt da etwas? Genau: die Gattung Carlina wurde nach ihm benannt, weil - so spricht die Sage - eines nachts auf den Schlachtfeldern ein Engel Carolus Magnus im Traum erschien und ihm eine Distel überbrachte, die ihn und sein Heer vor Krankheiten und Seuchen schützen sollte.
Eryngium giganteum (Bild: ngawangchodron / Flickr)
Miss Willmott's Ghost
- Diese moderne Sage stammt aus dem spleenreichen Großbritannien. Ellen Ann Willmott (19 August 1858 – 27 September 1934) in England geboren, war wie viele ihre Landsleute begeisterte Gartenliebhaberin und Mitglied der RHS (Royal Horticultural Society). In dieser Funktion besuchte sie viele fremde Gärten. Hinterließ allerdings vorerst unbemerkt ihre Spuren, indem sie Samen von Elfenbein-Mannstreu (Eryngium giganteum) ausstreute. Spätestens nach zwei Jahren wunderte sich der Gartenbesitzer über die überraschend auftauchende imposante silbergraue Schönheit. "Miss Willmott's Ghost" nannte man alsbald ihr zu Ehren in Gärtnerkreisen diese Edeldistel.
Perlmuttfalter auf der Distel (Bild: a.sansone)
Disteln als wertvolle Pflanzen für Insekten im Garten
Nicht nur optisch sind Disteln eine Bereicherung für den naturnahen Garten. Sie sind auch eine wertvolle Nektarquelle für Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten. In den kalten Monaten freuen sich Vögel über die unzähligen Samen in den verwelkten Blütenkörben. Der Stieglitz trägt seinen Namen ”Distelfink" nicht von ungefähr. Im Spätherbst und Winter kann man ihn beobachten, wie er geschickt auf einem Blütenkopf sitzt und die Samen mit dem Schnabel herauszieht.
Disteln sind also wertvolle Nektar- und Pollenspender im Garten.
Die meisten Distelarten sind bei uns heimisch und brauchen im übrigen keine spezielle Pflege. Zurück schneiden sollte man sie erst im März, denn im Herbst und Winter geben sie kahlen Staudenbeeten Struktur und bieten vielen Vögeln Futter im Winter. Im übrigen sehen Distelköpfe im Winter sehr apart aus, wenn sie schnee- oder reifüberzogen sind..
Tipp: Man kann auch unterschiedliche Distelarten in ein gemeinsames Themenbeet setzen. Sehr zur Freude aller Insekten (Biene, Hummel, Schwebfliege, Schmetterling; ....)
Quellen
- Botanica, Könemann; Verlagsgesellschaft mbH, 2000 Köln
- Kosmos Atlas Mittelmeer- und Kanarenflora, Schönfelder; Franckh-Kosmos Verlag, 2011 Stuttgart
- Essbare Wildpflanzen, Fleischhauer/Guthmann/Spiegelberger; Weltbild Verlag, 2014 Augsburg
- Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen, Genaust; Nikol Verlag, 2012 Hamburg
- Wird das was – oder kann das weg?, Bärbel Oftring; Franckh-Kosmos, 2017Stuttgart
- Naturnah gärtnern, Norbert Griebl; Haupt; 2015 Bern
Noch mehr an Wissenswertem zum Thema Distel
Bildquelle:
https://pagewizz.com/users/Adele_Sansone
(Wuschel, Waudel, Pusteblume - Windflieger stellen sich vor)
a.sansone
(Welche Tiere lieben Disteln?)
a.sansone
(Kapern - Woher sie kommen, wie sie aussehen und wo sie besonders gu...)