Mangelnde Selbstliebe als Ursache für gegenseitiges Leid

Jeder Mensch hat sowohl Stärken als auch Schwächen. Wer noch nicht beides an sich akzeptieren gelernt hat, leidet. Und dieses Leid bekommen auch andere auf die eine oder andere Weise zu spüren, ob nun bewusst oder unbewusst. Dazu muss man nicht einmal aktiv etwas tun. Deshalb ist es so wesentlich, gut mit sich selber umzugehen. Alle Gefühle, die man in dem jeweiligen Moment empfindet, zuzulassen und so zu akzeptieren. Wenn man sie hingegen zurückdrängt, bewirkt man damit nur, dass sich das Leid noch vergrößert. Dann sammeln sich all die Gefühle, die man nicht freigelassen hat, an. Und die Seele bahnt sich früher oder später doch ihren Weg. Jeder trägt die Verantwortung dafür, dass die eigene Seele ihren Raum hat, damit sie sich nicht auf letztlich für alle Seiten schmerzhafte Weise bemerkbar machen muss.

Menschen, die mit sich selber unzufrieden sind, fehlt die Strahlkraft. Sie sind wie welke Blumen, die ihre Blätter kraftlos hängen lassen. Sie haben keinen Elan, den sie mit anderen teilen könnten, da sie ihre ganze Energie, die ihnen zur Verfügung steht, für sich selber brauchen. Da ihnen die Kraft fehlt, ziehen sie sich eventuell übermäßig in sich selbst zurück, zeigen sich nicht. Zudem schämen sie sich für ihr Sosein, weil sie meinen, sie würden so nicht anerkannt. Aus ihrer fehlenden Selbstakzeptanz schließen sie, auch andere würden das so sehen wie sie.

Mangelnde Toleranz und ein respektloses Verhalten kann ebenfalls ein Indiz dafür sein, dass ein Mensch noch nicht gelernt hat, sich selbst zu lieben, und seinen Frust daher eventuell an anderen auslässt. Indem so eine Person andere erniedrigt, meint diese Person dann, selber besser dazustehen. Beim Mobbing beispielsweise wird dieses Muster oft erkennbar.

Selbstliebe hat nichts mit Egoismus zu tun. Von diesem Gedanken sollte man sich verabschieden. Denn wer sich selber lieben gelernt hat, der kann auch leichter auf andere Menschen eingehen und diese – sofern gewünscht – im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützen. Und dafür dann auch selbst wiederum viel zurückbekommen.

Einen liebevollen Blick auf sich selbst kann man täglich üben. Dazu muss man sich zunächst einmal der negativen und destruktiven Gedankenweisen bewusst werden, die man sich selbst gegenüber hegt. Möglicherweise hat man im Verlauf seines Lebens einige Ansichten anderer verinnerlicht, die einen daran hindern, sich selbst so zu lieben, wie man ist. "Du musst stark sein", "Streng dich an", "Du musst alles perfekt machen", sind einige mögliche negative Sprüche, die man abgespeichert hat. Solche Gedankenweisen gilt es nach und nach aufzulösen und durch positive Sichtweisen zu ersetzen.

Beispiele für solche positiv umgemünzte Affirmationen:

"Nein, ich muss nicht immer stark sein. Wenn ich mich in einem Moment schwach fühle, dann ist das so. Ich kann das akzeptieren und meine Kräfte sammeln, indem ich meine Bedürfnisse beachte und mir eine Pause gönne, wenn ich das brauche. Außerdem: Nicht alles, wovon ich denke, dass es als Schwäche angesehen könnte, ist tatsächlich eine. Es kommt immer auf die mentale Perspektive an, die ich einnehme. Ich muss mich nicht kleiner machen lassen, als ich bin, und bin als Mensch, so wie ich bin, wertvoll."

"Ich gebe mir Mühe, die Dinge so gut zu machen, wie es mir möglich ist. Wenn ich dabei an meine Grenzen stoße und einmal nicht so leistungsfähig bin, wie ich in dem Moment gerne wäre, dann ist das nicht schlimm. Mein Selbstwert hängt nicht von meiner Leistung ab. Außerdem brauche ich mich nicht mit anderen zu vergleichen. Die Hauptsache ist, dass ich selber mit dem zufrieden bin, was ich angesichts der aktuellen Bedingungen geschafft habe. Jeder Schritt zählt."

"Ich muss nicht perfekt sein. Es ist gut, dass ich mir stets Mühe gebe, die Dinge so gut wie möglich zu machen. Perfektion aber ist nicht erreichbar, und jeder macht einmal Fehler. Das ist kein Beinbruch. Mit übertriebenem Perfektionismus schränke ich mich nur selber in meinen Möglichkeiten ein. Es ist nicht nötig, mich für die kleinsten Fehler zu verurteilen. Die anderen verzeihen mir sicherlich auch, dass diese Fehler passiert sind. Im Übrigen kann ich daraus immer etwas lernen. Ich bin trotz der eventuell gemachten Fehler ein Mensch mit Begabungen und bin mir meiner Stärken bewusst."

Ein zeitloser, weiser Text zum Thema Selbstliebe

Respekt und Mitgefühl stärken Menschen

Respektloses, unfaires oder kaltes Verhalten verletzt Menschen. Gezeigter Respekt und ein verständnisvoller, mitfühlender Umgang hingegen erleichtern das Herz. Im Alltag ergeben sich viele Möglichkeiten, anderen Menschen gegenüber respektvoll zu sein, sie anzuerkennen und auch zu zeigen, dass man sie mit dem Herzen versteht oder zumindest ihre Sichtweise akzeptiert. Wir selber wünschen uns ja auch, dass uns gegenüber Verständnis gezeigt wird und dass das, was wir Gutes getan haben, wertgeschätzt wird. Warum sollten wir anderen diese positiv bestärkende Erfahrung vorenthalten? Also: Loben wir andere öfter einmal für etwas, das uns beeindruckt hat. Das können gerne auch vermeintliche "Kleinigkeiten" sein, oder Dinge, die gar nicht so selbstverständlich sind, wie wir meinen. Auch mehrere kleine Anerkennungen summieren sich und tragen zur Zufriedenheit von Menschen bei. Und durch Mitgefühl wird jedes erlebte Leid etwas erträglicher. Geteiltes Leid ist halbes Leid. An dem Sprichwort ist etwas Wahres dran.

Umgang mit Pessimismus, Voreingenommenheit und abwertenden Gedanken

Manchmal werden wir mit pessimistischen Sichtweisen konfrontiert, die uns den Mut nehmen könnten. "Du schaffst das eh nicht", ist so ein negativer Spruch. Oder man listet uns zig Dinge auf, die bei einer Sache schief gehen oder Schwierigkeiten bereiten könnten. Diese Dinge müssen allerdings keineswegs eintreten. Entmutigend sind solche Gedanken trotzdem, wenn man sie für sich verinnerlicht, anstatt sie in der richtigen Relation zu sehen. Deshalb ist es, wenn man sich ein Ziel gesetzt hat (und das hat man in der Regel ja aus gutem Grund getan, hat es sich gründlich überlegt), besser, sich von solchen Vorurteilen anderer abzugrenzen.

"Du schaffst das eh nicht" könnte man etwa mit "Natürlich könnte ich scheitern, aber davon lasse ich mich nicht davon abbringen, es zu versuchen. Nur so kann ich lernen und daraus wachsen." beantworten.

Wenn man hingegen die negativen Gedanken für sich übernimmt, könnte es sein, dass man dann so entmutigt ist, dass es tatsächlich nicht klappt. Pessimismus raubt einem die Kraft, etwas tatsächlich umzusetzen, weil man dann auf die potentiellen Probleme fixiert ist – und vielleicht das, was gut läuft, nicht hinreichend wertschätzt. Lässt man sich von diesen abwertenden Gedanken am Ende gar beherrschen, kann das weitreichendere Folgen haben. Denn wenn man von Vornherein schlecht über Dinge denkt, beeinflusst das auch das eigene Handeln. Schlimmstenfalls wagt man dann gar nichts mehr, weil es ja auch schief gehen könnte. Und wer möchte schon mit permanenter Angst und dauernder Sorge leben? Der Weg in die Depression ist dann nicht mehr weit.

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden zu Worten.
Achte auf deine Worte, denn sie werden zu Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden zu Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

Chinesisches Sprichwort

Gruppendynamik hat auch Schattenseiten

Leid kann aber auch durch gruppendynamische Prozesse entstehen. An sich ist Gruppendynamik ja nichts Schlechtes. Wenn eine positive Stimmung herrscht, kann damit einiges Gute in Gang gesetzt werden. Sie kann die Kreativität beflügeln, zu neuen Ideen führen oder jeden Einzelnen bei der Umsetzung eines gemeinsamen, positiven Ziels bestärken. Zusammen kann man in vielem mehr bewegen als alleine. Unter den falschen Voraussetzungen kann Gruppendynamik aber auch negativ ausgenutzt werden. Beispielsweise wenn einer versucht, eine Gruppe gegen eine andere aufzustacheln, wenn Propaganda gemacht wird, wie es in diktatorischen Regimes geschieht. Oder wenn die Stimmung schlecht ist und dann eventuell in Aggression umschlägt. Ein Beispiel dafür wären Hooligans, die nach einem verlorenen Fußballspiel Randale machen. Oder Betrunkene, die plötzlich anfangen, sich zu prügeln, weil jemand ein falsches Wort gesagt hat.

Mentalen Abstand und eigene Abgrenzung kann man lernen

Manches Leid entsteht dadurch, dass man sich überreden lässt, etwas zu tun, was man eigentlich nicht will. Etwa, weil man seine Zeit lieber für eine für einen selbst sinnvollere Aktivität nutzen würde. Indem man "Nein" zu sagen lernt, seine Meinung auch gegen etwaige Widerstände vertritt, ohne Angst davor, sich möglicherweise unbeliebt zu machen, ohne den Drang, es allen recht machen zu müssen, schafft man sich einen Freiraum und wird letztlich mit seinem Standpunkt wahr- und ernstgenommen. Man wird überhaupt mehr als Individuum wahrgenommen, wenn man sich und seine Grenzen sichtbar macht. Somit stärkt es auf lange Sicht auch das Selbstbewusstsein. Außerdem hat man mehr Energie für die Dinge, die einem wirklich wichtig sind, wenn man sich klar von den Ansichten anderer abgrenzt, kann dann aber auch mehr Gelassenheit üben angesichts der Dinge, die es zu akzeptieren gilt, weil man keinen Einfluss darauf hat.

Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Und was kann man gegen das Leid auf der Welt tun?

  • Freundlicher, wohlwollender und verstehender Blick auf andere Menschen: Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Wenn jemand so oder so reagiert, dann wird das schon seinen Grund haben.
  • Das Gemeinsame sehen statt auszugrenzen oder in pauschale Schubladen zu stecken: Bei diesen Gemeinsamkeiten kann man im Umgang mit anderen ansetzen.
  • Offen miteinander reden und wirklich zuhören.
  • Durch Zivilcourage und eigenes Engagement dort, wo Hilfe gerade nötig ist, das Leid in der Gesellschaft vermindern.
  • Als Verbraucher: Bewusst einkaufen und sich fragen, ob man eine bestimmte Sache wirklich braucht.
  • Projekte, die das Leid irgendwo auf der Welt vermindern helfen, unterstützen: Mit Spenden, Sachspenden, Aufmerksammachen oder durch eigene tatkräftige Unterstützung.

Bildnachweis: Pixabay

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