Torfmoos-Fingerwurz, Orchidee des Jahres
Die Torfmoos-Fingerwurz ist zur Orchidee des Jahres 2018 gekürt werden. Die meist rosablühende Pflanze komme nur in intakten Mooren vor.Torfmoos-Fingerwurz (Bild: by Jacopo Werther)
Torfmoos-Fingerwurz
Die stark gefährdete Torfmoos-Fingerwurz ist zur Orchidee des Jahres 2018 gekürt werden.
Gleich zu Beginn zur heiteren Verwirrung des Nicht-Botanikers, wird für diese hübsche Orchidee nicht eine eindeutige botanische Artbezeichnung angeboten, sondern gleich zwei; je nachdem ob die hehre Botanikwissenschaft diese Orchidee als eigene Art oder als Unterart betrachtet:
- Dactylorhyza sphagnicola oder Dactylorhiza majalis subsp. sphagnicola.
Nachdem bei Orchideen auch unter Fachleuten die Bestimmung diverser Arten oder Unterarten extrem schwer ist, soll es uns nicht weiter bekümmern.
Aber auch in der deutschen Bezeichnung finden wir mehrere Namen dafür:
- Torfmoos-Knabenkraut
- Kuckucksblume
- Fingerwurz
- Torfmoos-Fingerwurz
- Teufelshand
Die Orchideen Deutschlands und angrenzender Län... | Orchideen-Wanderungen in Thüringen: Weg- und Ar... |
Dactylorhiza sphagnicola (Bild: Gilles San Martin / Flickr)
Wie sieht die Torfmoos-Fingerwurz aus?
Diese Orchidee wird 22-43 cm hoch, hat einen hohlen Stängel, bis zu 6 steif aufrecht stehende grüne ungefleckte Blätter, den Stängel umscheidend, schmal lanzettlich, rinnig nach oben gefaltet; Der Blütenstand ist eiförmig, sehr dicht, bis zu 10 cm lang. 35 Blüten und mehr sind auf ihm zu finden. Die Grundfarbe ist zart rosa, die Lippe nur schwach nach unten gefaltet, eine violett rote Punktzeichnung mit schmalen Linien, manchmal gestrichelt oder mit Schleifenmuster versehen. Blütezeit Mai, Juni.
Wo kann man das Torfmoos-Knabenkrau/Fingerwurz finden?
Sie ist ganz sicher keine im alpinen Bereich vorkommende Pflanze, steigt nur bis etwa 600m. Wie schon der Name sagt, ist ihr Lebensraum eng mit dem Torfmoos/Spaghnum und daher dem Moor verbunden.
Hoch- oder Übergangsmoore, sonnig, auf sehr locker mit Gräsern bewachsenen Böden oder frischem Torfmoos (Spaghnum). Man vermutet sogar, dass es an gewisse Torfmoosarten gebunden ist: Spaghnum papillosum, Spaghnum recurvum; allerdings soll es auch ganz ohne vorkommen.
Gefährdung besonders durch Verbuschung, Entwässerung der Moorgebiete, beziehungsweise durch die Torfindustrie.
Verbreitung in Deutschland:
Die Population in der Wahner Heide ist fast schon zerstört. Weiteres Vorkommen gibt es noch in der Lüneburger Heide. Um Hamburg, aber auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie vereinzelt in Schleswig-Holstein ist es zu finden. Selten in Niedersachsen (vor allem zwischen Weser und Elbe), W-Nordrhein-Westfalen, Venn (Mützenich), N-Ostfriesland; wenige Einzelfunde Umg. Aachen, Niederrhein, O-Münsterland. Der Bestand schwankt zwischen stark gefährdet bis vom Aussterben bedroht.
Von Nordfrankreich, Belgien, Holland bis Schweden kommt es noch häufiger vor.
Moor (Bild: a.sansone)
Gattung Dactylorhyza
Hinweis: Die Gattung Dactylorhyza ist generell sehr schwierig zu bestimmen, da es extrem viele Kreuzungen, Unterarten, Hybriden, Variabilitäten gibt.
So muss es nicht wundern, dass eben auch diese Orchidee einmal als Dactylorhyza majalis ssp. spaghnicola bezeichnet wird, in anderen Büchern jedoch als eigene Art Dactylorhyza spaghnicola gehandelt wird.
Seine Fähigkeit jedoch, saure Torfmoosmoore zu besiedeln, könnten an der genetischen Beteiligung von Dactylorhyza majalis mit D.maculata liegen; was für die Bezeichnung Unterart spricht. Möglicherweise handelt es sich auch um eine Sippe mit Sonderstellung.
Hier sind wahre Spezialisten gefragt.
Dactylorhiza majalis (Bild: a.sansone)
Kleine Orchideen-Kunde
Für alle Orchideen (Orchidaceae) gilt: eine zygomorphe (zweiseitig-symmetrische) Blütenform; die Blüte besteht aus 3 äußeren (Sepalen) und 2 inneren (Petalen) Perigonblättern, die Lippe (Labellum) ist aus den Staubblättern entstanden. Das einzige Staubblatt (Ausnahme Frauenschuh/Cypripedium hat 2) ist mit dem Stempel zu einer Säule (Gynostemium) verwachsen. Inhalt der Staubbeutelfächer sind zu Pollinien verklebt (einige Ausnahmen), Fruchtknoten unterständig. Frucht ist eine mit Längsspalten aufspringende Kapselfrucht, Samen winzig, bis mehrere tausend pro Frucht! Windverbreitung.
Zwischen 25.000 bis 30.000 Arten weltweit geschätzt, 800 Gattungen, die meisten in den Tropen vorkommend. Heimisch sind es etwa 70 Arten in 27 verschiedenen Gattungen, Alle stehen unter strengem Naturschutz!
Einheimische Orchideen sind mehrjährige ausdauernde krautige Pflanzen, sie überstehen den Winter durch Speicherorgane. Da kommt nun der Name ins Spiel.
Namensherkunft: gr. Orchis=Hoden, da man in der Form den männlichen Hoden zu erkennen meinte. Da aber die Knolle auch oft handförmig gelappt ist, gibt es noch weitere Volksnamen: junge Knolle, hell=Marienhand oder Hand Gottes; alte Knolle, die ist dunkel=Teufelshand.
Die Bestäubung der Orchideen
Zur Bestäubung greifen Orchideen in die Trickkiste. Man muss sich nur die Insekten-imitierende Gattung, wie Ragwurz/Ophrys, anschauen. Da werden Hummeln, Spinnen und was weiß ich noch alles für die optimale bestäubung nachgeahmt.
Bei den Knabenkräutern wiederum ist die Öffnung des Sporns vor dem Säulchen. Will das Insekt an den Nektar, stößt es an die Klebscheibe und bekommt die Pollenpakete auf Kopf oder Popo geklebt. Erst dann liegt die Narbe zur Bestäubung frei. Wildbienen, Ameisen, Schmetterlinge, besonders die Nachtfalter, sind Bestäuber der heimischen Orchideen.
Hummelragwurz (Bild: Wolfi-Galerie / Flickr)
Wodurch sind heimische Orchideen gefährdet?
Intensive Waldbewirtschaftung gefährdet das Vorkommen vieler Orchideen. Sie leiden besonders unter dem Einsatz großer Maschinen. Siehe Waldvögelein, Orchidee 2017.
Die Trockenlegung oder wirtschaftliche Ausbeutung von Moorgebieten gefährdet weitere Arten. Außerdem werden Orchideen immer noch von "Sammlern" gepflückt, beziehungsweise ausgegraben.
Orchideen und ihre Pilze - eine schöne Geschichte
Eigentlich sollten es die Orchideen-Liebhaber ja besser wissen, aber allzu häufig ertappt man immer wieder Menschen, die in Schutzgebieten Orchideen ausgraben. Aber auch Fotosessions, wobei der Fotograf den Boden ringsumher niedertrampelt, tragen nicht wirklich zur Erhaltung von Orchideen (oder auch anderen gefährdeten Blumen) wirklich bei.
Warum ist es gelinde gesagt "idiotisch" ist, Orchideen auszugraben?
Zur Keimung von Samen sind Orchideen von einer Pilzsymbiose abhängig. Die "Pilzlichen- Kindermädchen" (Mykorrhizapilze) schließen die notwendigen Nährstoffe aus dem Boden für die Orchidee auf. Als Gegenleistung bekommen sie von der ausgewachsenen Pflanze zuckerreiche Verbindungen geliefert. Manche Orchideen sind ihr Leben lang von dieser Symbiose abhängig.
Soweit so gut, mag der Laie denken. Ich nehme da einfach auch noch ein wenig von dem Mutterboden mit, dann passt das schon.
Nonsens.
Denn so ein Pilzgeflecht im Boden ist weitverzweigt und die Mykorrhizapilze ihrerseits sind wiederum von verschiedenen Bäumen abhängig, mit denen sie im Nährstoff-Austausch stehen.
Also - sollte man möglichst den ganzen Waldbereich/Moorbereich mitnehmen?
Genau - Sie merken wie absurd das ist.
Die Frage lautet vielmehr: "Warum überhaupt ausgraben, wenn es am Fundort so ideal ist. Dreimal klüger ist es, dieses Moor, diesen Waldbereich etc. zu schützen!"
Na also, geht doch.
Deshalb nie, nie, nie ausgraben!
Wer dennoch in seinem Garten heimische Orchideen pflanzen möchte, der kann sich an Orchideen-Gärtnereien wenden, die Züchtungen eigens für den Garten haben. Auch dann ist es hohe Gärtnerkunst sie optimal im eigenen Garten zu halten.
Link: http://diese-rombergs.de/deutschland-deine-orchideenhaendler/
(spitzels Herren # 696) New spitzels Italica, a... |
Guter Freizeittipp: geschützte Orchideengebiete besuchen
Waldorchideen lassen sich vielerorts gut beobachten, insbesondere in Süd- und Mitteldeutschland. Etwa in den Buchenwäldern des Rhöngebirges. Auch das thüringische Naturparadies Rothenstein. Die Wiesen und urwaldähnlichen Laubmischwälder sind idealer Lebensraum für Orchideen wie Purpur- und Helm-Knabenkraut, Weißes Waldvöglein und Großes Zweiblatt.
Die ersten Orchideen des Jahres blühen im April, Mai-Juni sind die meisten Arten zu bewundern. Im Hochsommer ist dann die Zeit von Stendelwurz und Widerbart. Die letzten Waldorchideen blühen Ende August, den Abschluss bildet schließlich im September der Herbst-Drehwurz.
Notwendigerweise sind die meisten Gebiete bereits überwacht, also genießen Sie und jagen Orchideen nur mit Kamera und Zoom.
Hier einige Orchideenparadiese in Deutschland, Österreich, Schweiz:
- Naturparadies Rothenstein
- Orchideenparadies Thüringen
- Lechtal: Frauenschuh Martinau
- Saarpflaz Gersheim
- Feldführer Schweiz
Natur des Jahres 2018
Weitere Artikel und Porträts der Arten, die zur Natur des Jahres 2018 gewählt wurden, finden Sie natürlich auch bei uns:
- Ingwer, Heilpflanze 2018
- Andorn, Arzneipflanze 2018
- Torfmoos-Fingerwurz, Orchidee 2018
- Taglilie, Staude 2018
- Der Große Fuchs, Schmetterling 2018
- Star, Vogel 2018
- Esskastanie, Baum 2018
- Der Langblättrige Ehrenpreis, Blume 2018
- Die Steckrübe, Gemüse 2018
- Wiesenchampignon, Pilz 2018
Orchidee des Jahres 2022
Quellen
- Die Orchideen Deutschlands und angrenzender Länder, Horst Kretzschmar, Quelle & Meyer;, 2008 Wiebelsheim
- Orchideen, Helmut Presser, Nikol Verlagsgesellschaft; 2002 Hamburg
Bildquelle:
a.sansone
(Teufelsblumen - Womit haben sie den Teufel im Namen verdient?)
a.sansone
(Lechweg - Wie es ist an einem Wildfluss zu wandern)
adele sansone
(Natur des Jahres 2019)