Baldrian und seine Familie - Botanischer Steckbrief

Die Zuordnungen in der Systematik richten sich nach in den letzten Jahren erfolgten neuen phylogenetischen Erkenntnissen (Quelle: Pflanzenfamilien,Haupt 2017). Deshalb wird die Gattung Baldrian nicht länger zur Familie der Doldengewächse (Umbelliferae oder Apiaceae) gezählt, sondern neu zu den Geißblattgewächsen (Caprifoliaceae)!

In der Gattung Baldrian/Valeriana gibt es alleine an die 200 Arten, vom winzigen Baldrian Valeriana supina mit knapp 10 cm Wuchshöhe, bis zu nahezu 2m lang werdende Arten, wie die mexikanische Valerieria edulis.

In unseren gemäßigten Breiten wächst er wild besonders gerne auf feuchten Standorten, wie Moorwiesen, auch wird er gerne in Gärten gepflanzt:

  • Arznei-Baldrian Valeriana officinalis
  • Kleiner oder Sumpf-Baldrian Valeriana dioica
  • Hügelbaldrian Valeriana collina
  • Berg-Baldrian Valeriana montana
  • Stein-Baldrian oder Dreiblättriger Baldrian Valeriana tripteris
  • Zwerg-Baldrian Valeriana supina
  • Felsenbaldrian/wilder Speik Valeriana saxatilis
  • echter Speik Valeriana celtica

Beide Speik-Arten wurden früher zur Seifenherstellung verwendet.

Die doldigen Blütenstände (Trugdolde) variieren zwischen weiß und leicht rosa angehaucht. Alleine vom Arznei-Baldrian gibt es viele variantenreiche Formen und Kleinarten. Aus dem Kelch entsteht die typische Haarkrone (Pappus). Dieser Haarkranz ist hygroskopisch und fällt von den Nussfrüchten später ab. Die Nüsschen werden dann durch das Wasser weiterverbreitet.

Alle Baldrian-Arten gedeihen an feuchten mäßig halbschattigen Standorten. Der Baldrian gehört deshalb zu den Feuchtezeigerpflanzen.

Valeriana, Valerianella hier sieht man gleich die Zusammengehörigkeit. Der gewöhnliche Feldsalat, auch Rapunzelsalat genannt, Valerianella locusta, ist ein enger Verwandter des Baldrians.

Weniger bekannt ist, dass die besonders im Süden Europas auffällig blühende rote Spornblume Centranthus ruber ebenfalls zu den Baldrianen zählt.

In Griechenland wächst noch Valeriana asarifolia (endemische Art) und Valeriana tuberosa mit halbkugeliger Dolde und auffällig rot gefärbtem Schaft.

 

 

Arzneibaldrian (Bild: a.sansone)

Baldrian als Heilmittel

Schon der Name "soll" sich aus der römischen Provinz Valeria zwischen Donau und Drau herleiten. Auf jeden Fall wurde der Baldrian bereits von griechischen und römischen Ärzten im Altertum eingesetzt. Seine heilende Wirkung auf das Nervensystem wurde 1825 erstmals vom Leiter der Charité in Berlin, Dr. Christoph Wilhelm Hufeland, beschrieben.

Zur arzneilichen Verwendung wird Baldrian in Kulturen angebaut; England, Belgien, Osteuropa und zum Teil auch in Deutschland hat Anbaugebiete. Als offizielle Droge soll nur die Wurzel des Europäischen Baldrians Verwendung finden (Valerianae radix = Baldrianwurzel, bestehend aus Wurzeln, Wurzelstock und unterirdischen Ausläufern). 

Von Baldrianpräparaten, die mexikanischen oder indischen Baldrian als Grundstoff haben wird abgeraten. Ihr Gehalt an Valepotriaten ist viel höher als beim europäischen Arznei-Baldrian. Es ist nicht abgesichert, ob diese (bis zu 8%) Dosis nicht zellschädigend sein könnte.

Vorwurf: Baldrian ist ja nur Abzocke

Was viele Anwender vergessen oder nicht wissen. Baldrian wirkt nicht sofort und ist deshalb nicht für Akut-Situationen geeignet. Eine Wirkung tritt erst nach mehrtägiger Anwendung ein.

Auch darf man die Gefahr von Überdosierungen nicht ignorieren. Missbrauch kann von Schwindelanfällen, Herzrasen bis zu Orientierungslosigkeit führen. Weiters ist zu beachten, dass man Baldrianpräparate nicht ohne Absprache mit Arzt oder Apotheker mit synthetischen Arzneimitteln kombinieren darf; nach dem Motto "mehr ist mehr".

Baldrianblüte (Bild: https://pagewizz.com/was-is...)

Tipp: Aus Baldrian kann man mit Bedacht bei der Anwendung so manche Naturarznei selber herstellen. Anregungen gibt es hier: Heilsame Wildpflanzen

Baldrian - Schlaf, Nerven, Magen, Ängste

Welche Heilwirkung hat der Baldrian nach neuesten Erkenntnissen wirklich?

  • Nervenstärkend Die Inhaltsstoffe führen zu verstärkter innerer Ruhe und Gelassenheit. Allerdings erst nach etwa ein bis zwei Wochen Einnahme.
  • Angstlösend Die Studie im "British Journal of Pharmacology": "Valerenic acid derivatives as novel subunit-selective GABAA receptor ligands - in vitro and in vivo characterization" von S. Khom et al.
  • Ein Wiener Forscherteam um Steffen Hering, Leiter des Departments für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien, hat neuartige potenzielle Wirkstoffe aus Substanzen synthetisiert, die in der Pflanze Valerensäure) enthalten sind. Die Wissenschaftler wissen sich auf einem guten Weg, auf Basis der Valerensäure neue, angstlösende Wirkstoffe zu finden, die für die Entwicklung von Arzneistoffen geeignet sind. Einige der bisher untersuchten Substanzen haben bereits eine deutlich stärkere Wirkung als der Naturstoff aus dem Baldrian selbst.

  • Auch bei Leistungs- und Konzentrationsschwäche ist er wirksam.

Äußerlich wird der Baldrian gerne als Badezusatz verwendet.

Sanfte Hilfe mit Baldriankissen

Wer, so wie ich, eher ungern zu Mitteln greift, die er einnehmen muss, dem kann man als sanftes Mittel ein Kräuterkissen empfehlen. Das Kissen, Größe 7,5 cm bis 12,5 cm, mit gezupfter Baumwolle oder anderem Füllmaterial und den gewählten Kräutern ausstopfen und zunähen.

Tipp: Kräuterkissen mit Baldrian

Dazu werden zur Blütezeit voll aufgeblühte Baldrianblüten abgeschnitten und getrocknet. In dicht schließenden Gläsern bis zum Einsatz aufbewahren. Zusammen mit getrockneten Lavendelblüten, Melissenblättern und Hopfenzapfen, jeweils etwa 1/4 Tasse voll, bei Bedarf in den kleinen Kissenbezug füllen. Dieses kleine Kissen in Kopfnähe legen, hilft zu einem entspannenderen Schlaf.

Wenn die Wirkung "verduftet" ist, muss man das Kissen neu befüllen.

Keine Angst, auch wenn Sie eine Hauskatze haben - der Duft der Blüten enthält recht wenig der Isovaleriansäure. Diese ist vorwiegend in der getrockneten Wurzel und da würde Mieze sonst wirklich ausflippen.

Mehr dazu bei "Baldrian und die Katzen"

 

Viele Namen gab man mir - von Augenwurz oder Hexenkraut

Eine erst Erwähnung des Baldrian kommt aus dem alten Ägypten. Im 9. Jhdt. Im Mittelalter galt er als Allheilmittel, auch zur Fiebersenkung und gegen die Pest. Der mexikanische Baldrian wurde von der armen Bevölkerung benutzt, um Strapazen besser zu ertragen.

Die Herkunft seines botanischen Namens Valeriana, eingedeutscht Baldrian, ist mit so vielen "wenn" und "aber" versehen, dass ich nur einige Beispiele aufzähle:

Valeriana - möglicher Ursprung

  1. Provinz Valeria in Pannonien, wo die Pflanze häufig vorkommt.
  2. schwedische Sprachwurzel (zur Abwehr der nordischen Dämonen und Hexen)
  3. velansrut isländische Sprachwurzel
  4. vom nordischen Gott Baldur, Baldr abstammend
  5. valere lat. = gesund sein, sich wohlbefinden
  6. Plinius Valerianus, röm. Arzt

Im Etymologischen Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen ist fast eine ganze Seite der Namensherkunft gewidmet. Viel Spaß beim Nachlesen.

Aber auch im Volksmund sparte man nicht an Namen für dieses heilsame Kraut. An den verschiedenen Bezeichnungen kann man allerdings erkennen, dass es nicht ausschließlich für medizinisch heilsame Zwecke benötigt wurde. Also doch ein Hexenkraut?

  • Augenwurze; Augenwurz
  • Elfenkraut
  • Hexenkraut
  • Katzenkraut; Katzenwurzel; Katzenkraut; Katzenwurz
  • Mondwurz
  • Tollerjan
  • Dreifuss
  • Marienwurzel
  • Mondwurz
  • Theriakwurzel
  • Viehkraut
  • Wendwurzel
  • Wilde Narde
  • Waldsplik

Mythen und Aberglauben rund um den Baldrian

  • Früher glaubte man, dass Baldrian gegen Zauberei und böse Geister wirken könne: "Baldrian, Dost und Dill - kann die Hex' nicht wie sie will"so heißt ein alter Spruch.
  • Getrocknete Baldriansträuße sollten, im Hause aufgehängt, Glück bringen und Schlechtes in Gutes verwandeln.
  • Die nordische Göttin Hertha zähmte auf einem Hirsch reitend die wilden Tiere des Waldes durch eine Baldrian-Gerte.
  • In Gebirgsgegenden war Baldrian als Wildfräuleinkraut bekannt. Sagenumwobene Frauengestalten hatten das Kraut der Bevölkerung als Heilmittel gegen die Pest angezeigt.

 

Baldrian und seine Verwendung in der Küche

Ja, Sie haben richtig gelesen. Man kann den Baldrian auch essen. Klar, nicht die Wurzel. Die schmeckt bitter. Aber mehrere Bestandteile der Pflanze können ohne Bedenken in der Küche eingesetzt werden.

  • Baldrianextrakt kann als Aromastoff in Nahrungsmitteln wie Gebäck und Eis eingesetzt werden.
  • Baldrian ist eine Verwandte des Feldsalats (Valerianella sp. – kleiner Baldrian). Das frische Blattgrün des Baldrians kann in Salaten mitgegessen werden – er erinnert im Geschmack an Feldsalat, ist sogar etwas zarter. Ich zupfe im Vorübergehen immer wieder ein Blatt vom feinblättrigen Baldrian und kaue es genüsslich. Wirkt wie eine Nerven-Frühlingskur und erspart die Tropfen am Abend.
  • Die hübschen Baldrianblüten sind ebenfalls genießbar.
Besondere Baldrian-Arten - Zwerg-Baldrian

Zwergbaldrian (Bild: a.sansone)

Quellen

.. neben der eigenen gärtnerischen Erfahrung

  • Flora Helvetica, Lauber/Wagner/Gygax; Haupt Verlag, 2014 Bern
  • Geheimnisse und Heilkräfte der Pflanzen, Verlag das Beste, 1980 Stuttgart
  • Heil-, Gewürz-, Nutz- und Giftpflanzen im Botanischen Garten der Universität Innsbruck, Bortenschlager/Vergörer, 2004 Innsbruck
  • Essbare Wildpflanzen, Fleischhauer/Guthmann/Spiegelberger; Weltbild Verlag, 2014 Augsburg
  • Kräuter, McVicar; Bassermann Verlag, 2013 München
Adele_Sansone, am 20.07.2014
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Bildquelle:
https://pagewizz.com/users/Adele_Sansone (Wie ist es mit Baldrian und den Katzen?)
a.sansone (Kapern - Woher sie kommen, wie sie aussehen und wo sie besonders gu...)

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