Die Eider von der Quelle bis zur Nordsee
Mit rund 200 Kilometern Länge ist die Eider Schleswig-Holsteins längster Fluss. Schon Jules Verne hat sie erkundet, befahren und über sie berichtet.Vor der Ostsee eine Kehrtwendung zur Nordsee
Die Eider entspringt aus zwei benachbarten Quellteichen nahe Schönhagen. Die Abflüsse der beiden Quellteiche sind verrohrt, treffen sich bei Klein Buchwald und bilden dort die Dröge Eider. Diese fließt durch den Bothkamper See, dann östlich an Bordesholm vorbei, passiert die Orte Flintbek und Molfsee und gelangt in den Schulensee am Stadtrand von Kiel. Kurz bevor sie in die Ostsee münden könnte, versperrt ihr eine Endmoräne, der Hornheimer Riegel, den Weg.
Deshalb macht sie "beleidigt" kehrt und wendet sich nach Westen, durchquert den Westensee und erreicht den Nord-Ostsee-Kanal (NOK), der ab Landwehr bis Rendsburg das alte Flußbett der Eider nutzt. Auf diesem Stück bestand schon seit dem 18. Jahrhundert der Schleswig-Holsteinische Kanal, der Kiel mit Rendsburg verband. Er wurde 1853 in Eiderkanal umbenannt und später als Nord-Ostsee-Kanal ausgebaut.
Der NOK ist heute die meist befahrene künstliche Wasserstraße der Welt.
Der Eiderkanal und Jules Verne
Der Eiderkanal wurde 1784 als der damals größte Kanal Europas in Betrieb genommen. Er verband die Ostsee mit der Eider bei Rendsburg. Dadurch erschloss sich ein kurzer Seeweg von der Nordsee zur Ostsee im Vergleich zum gefährlichen und viel weiteren Weg über Skagen, der bisher immer eingeschlagen werden mußte. Bis zu 4.600 Menschen arbeiteten an dem Ausbau des 34 km langen Kanals mit seinen für die Pferde notwendigenTreidelpfaden und 6 Schleusen (im Foto die rekonstruierte Klappbrücke über den Alten Eiderkanal bei Königsförde
© Alexander Seidlich/sh-tourismus).
Der reiseerfahrene Gottfried Seume wünschte sich bei seinem Aufenthalt 1805 in Kiel: "Ich möchte wohl an dem ganzen Kanal hinauf bis an die Nordsee gehen, die Schönheiten müssen zahlreich und mannigfaltig sein." Heute ist der NOK besonders für Fahrradtouristen eine stets gute Adresse.
Seumes Wunsch setzte Jules Verne 1881 in die Tat um. Er befuhr zusammen mit seinem Bruder Paul den Eiderkanal in beiden Richtungen mit seiner Dampfyacht Saint Michel III auf seinem Weg über Altona und Kiel nach Kopenhagen und schließlich weiter nach Island, um dort durch ein Kraterloch ins Erdinnere zu gelangen. Seine schleswig-holsteinischen Reiseeindrücke fanden in Vernes Roman "Reise zum Mittelpunkt der Erde" ihren Niederschlag.
Die Eider ab Rendsburg
Ab Rendsburg ist die Eider Bundeswasserstraße; hier gilt die Seeschifffahrtsstraßenordnung. Das bedeutet, dass auf der Eider als Seewasserstraße mit Motorbooten gefahren werden darf. Deren Höchstgeschwindigkeit beträgt generell 15 km/h und ist auf weiten Strecken mit besonderer Ausschilderung auf 10 km/h begrenzt. Hinzu kommen fünf Strecken, auf denen Wasserski gefahren werden darf ohne die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit für die ziehenden Boote. Vorsicht für die Kanu- und Kajakfahrer ist somit geboten.
Von Rendsburg aus geht der Verlauf der Eider weiter nach Nübbel. Parallel zum NOK fließt die Eider (Foto © Stadt Rendsburg) in einem Abstand von 30 bis 100 Metern, ein spektakulärer Anblick. Vor der Fähre Breiholz wendet sich die Eider vom NOK ab und durchfließt die Eiderniederung. Die Fähre Breiholz ist alljährlich der Startort für die längste Ruderregatta der Welt über 12, 7 Kilometer. Ziel ist jeweils das Wahrzeichen Rendsburgs, die Eisenbahnhochbrücke über den NOK.
In der Nähe von Oldenbüttel verbindet der rund drei Kilometer lange Gieselaukanal den NOK mit der Eider über eine romantische Schleusenanlage. Diesen Weg benutzen die meisten Sportbootfahrer auf ihrem Weg zur Nordsee über die Untereider.
Die Eider berührt den Luftkurort Süderstapel mit seinen malerischen Reetdachhäusern und das bekannte Storchendorf Bergenhusen. Hier in den Niederungen der Flüsse Eider, Treene und Sorge, gefällt es den Störchen in Schleswig-Holstein am besten.
Von Friedrichstadt zum Eidersperrwerk
Das Holländerstädtchen Friedrichstadt ist der wohl schönste Ort an der Eider. Im 17. Jahrhundert erbauten Niederländer Friedrichstadt in ihrem typischen Holländer-Stil mit Grachten, schnurgeraden Straßen und Giebelhäusern rund um den Marktplatz. Eine Grachtenfahrt zählt zum Pflichtprogramm jeden Besuchers.(Foto Friedrichstadt Malerwinkel © Ute Gabriel-Boucsein/TASH).
Von Friedrichstadt aus geht es weiter nach Tönning auf der Halbinsel Eiderstedt. Sehenswert ist in Tönning besonders das Multimar Wattforum als Informationszentrum für den Nationalpark Wattenmeer. Hier in Tönning beginnt der zwei Kilometer breite und neun Kilometer lange Mündungstrichter der Eider.
Endpunkt der Eider ist das 1972 erbaute gewaltige Eidersperrwerk (siehe Titelfoto). Dort regulieren fünf jeweils 40 Meter breite Tore den Durchfluss des Wassers. Zusammen mit einem aufgeschütteten Damm und einer Schleuse ist die Anlage fast fünf Kilometer lang. Oben auf ihrer Krone verläuft eine Straße mit Klappbrücke, die Dithmarschen, das größte zusammenhängende Kohlanbaugebiet Europas, mit Eiderstedt verbindet. Das gewaltige Bauwerk schützt das Hinterland bei Sturmfluten vor Überschwemmungen und hat sich zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt. Durch das Sielbauwerk des Sperrwerks fließen 2,1 Milliarden Liter Wasser, wenn in dem zu entwässernden Hinterland 1Milliliter pro Quadratmeter Niederschlag fällt.
Die geschichtsträchtige Eider
Die Eider als Wasserweg blickt auf eine sehr lange Geschichte zurück, denn sie diente schon den Wikingern als Verbindung zwischen der Nordsee und der großen Siedlung Haithabu bei Schleswig an der Ostsee.
Als Sprachgrenze diente sie bis zur Völkerwanderung für die Angeln und Jüten nördlich der Eider und Sachsen in ihrem Süden. Die Eider wurde danach die Grenzlinie für die Nordgermanischen und Westgermanischen Sprachen
Seit 811 bedeutete die Eider die Grenze zwischen den fränkischen und dänischen Reichen. Für das Heilige Römische Reich als Nachfolger des fränkischen Reiches war die Eider stets die Nordgrenze. Aus den südlichen Gebieten entstand die deutsche Grafschaft Holstein, aus den nördlichen das Herzogtum Schleswig. Die Eider blieb Reichsgrenze, weil Holstein als deutsches und Schleswig als dänisches Reichslehen Bestand hatten. Mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches 1806 verlor die Eider ihre Bedeutung als geschichtsträchtige Reichsgrenze, erlangte diese wichtige Bedeutung aber als Nordgrenze des Deutschen Bundes schon im Jahr 1815 zurück. Eine wichtige Rolle spielte die Eider in der deutsch-dänischen Auseinandersetzung um Schleswig, die schon durch die Kampfparolen deutlich wurde. Dänemark wollte "Dänemark bis zur Eider", die Schleswig-Holsteiner riefen "Up ewig ungedeelt" (auf ewig ungeteilt).
Heute bildet die Eider zusammen mit dem NOK völlig unspektakulär die Grenze zwischen den Landesteilen Schleswig und Holstein des gleichnamigen Bundeslandes.
Auch Genies können grundlegend irren
Schleswig-Holstein hat viele Dichter, Denker und Schriftsteller fasziniert. Nicht nur die Gebrüder Verne waren vom Land zwischen Nord- und Ostsee begeistert. Hier lebten oft ihr Leben lang oder hielten sich des öfteren auf der dänische Dichter Hans Christian Andersen, der Ire Erskine Childers, die deutschen Dichter Heinrich Heine, Theodor Fontane, Wilhelm Raabe, Rainer Maria Rilke, Thomas und Heinrich Mann, Mathias Claudius, Friedrich Hebbel, Theodor Mommsen,Theodor Storm und Johann Gottfried Seume und viele andere mehr. Der Schwede August Strindberg heiratete auf Helgoland und verarbeitete seine Helgolandreise im Jahr 1893 in seinem autobiografischen Roman "Kloster".
Nur der deutsche Dichterfürst Goethe ließ sich bis zum Schluss nicht erweichen, in den Norden zu reisen und wies sämtliche Einladungen zurück. Die noch heute repräsentativen Schlösser und Adelssitze in Schleswig-Holstein waren für ihn nur "Sumpf- und Wassernester".