Samen und Saatgut kommt aus der Tüte?

"Milch kommt aus dem Kühlregal!", "Strom kommt aus der Steckdose!" und "Samen kommen aus der Tüte!" BILDUNGSLÜCKEN. Für den gedankenlosen Konsumenten mögen solche Verallgemeinerungen stimmen. Für die offenen, naturnahen Gärtner*innen ist die letzte Aussage schlichtweg falsch.

Samen aus der Tüte

Also, warum nicht beim eigenen Pflanzenkistchen mit ein wenig Autonomie, oder "Gärtner-Anarchie" unterwegs sein?

 

Die heftig umstrittene EU-Saatgutverordnung, die einmal mehr die großen Agrarchemie-Konzerne bevorzugt und die kleinen Spezialisten, Bio-Gärtnereien und lokalen Gartenbaubetriebe zum Zähneknirschen bringt, zeigt auf: Autonomie ist Gold wert.

Seit Jahren bemühen sich Organisationen und Saatgut-Netzwerke darum, altes Pflanzengut zu schützen, die Vielfalt von Obst- und Gemüsesorten zu bewahren und wieder zu vermehren.

Wer rechtzeitig lernt, aus seinem gepflanzten Gemüse auch wieder Samen zu ziehen, der ist unabhängig von den wenigen im Handel angebotenen 08/15 Sorten.

Denn Pflanzen sind Allgemeingut und gehören nicht einigen Auserwählten. Wer neue Sorten züchtet, kann sie sich gerne gut bezahlen lassen. Wer aber die Fortpflanzung der Pflanzen um des reinen Profits wegen unterbindet, um sich die Welt "quasi untertan" zu machen, dem muss man sich entgegen stellen.

 

Samenraub mal anders!

Wer kennt nicht die Situation: Man geht durch die Gassen spazieren, guckt in fremde Gärten und sieht ein Blümchen, das einen entzückt. Mit ein wenig Glück entdeckt man den Gartenbesitzer, hält ein Pläuschchen und schwupps, wird eine abgeblühte Blüte abgezupft, über den Gartenzaun gereicht und man selbst eilt mit der kostbaren Beute geschwind nach Hause. Das nennt man unter Gärtnern, mit Verlaub, "Samenraub".

Den Samen noch ein paar Tage trocknen lassen, eintüten, beschriften und dann im Frühjahr aussäen und gespannt auf das Ergebnis, das neue Pflänzchen warten. Patentrechte, Zertifizierungen und ähnliches Brimborium (siehe EU-Saatgutverordnung) darf man getrost außer Acht lassen.

 

 

Koriandersamen

Warum man als Hobby-Gärtner lieber auf alte Sorten greifen soll

Wer als Hobbygärtner*in im eigenen Garten sein Gemüse oder auch seine Blumen zieht, ist nicht auf Massenertrag angewiesen. Er/sie braucht also auch keineswegs Samen bzw. Pflanzen, die enorme Erträge liefern. Die Gurken müssen auch nicht exakt in die Verpackungsform passen, die Tomaten dürfen unterschiedliche Größe haben.

Das bedeutet aber auch, man/frau sollte keine hochgezüchteten, patentierten Hybridsorten kaufen, die sich selbst nicht mehr vermehren, sondern man kann getrost auf alte Sorten umsteigen.
Meine Tomate, die frisch aus dem Garten gepflückt, auf den Tisch kommt, braucht keine Lagerfähigkeit von 20 Tagen, aber Geschmack soll sie haben. Wenn sie gut gemundet hat, kann ich eine Tomate ausreifen lassen, die reifen Samen trocknen und im nächsten Jahr erneut aussäen.

So, wie es vor mir, mein Vater, der ein begeisterter Gärtner war, sein Vater und unsere Vorfahren getan haben.

 

Die Vielfalt der Samen

Granatapfelkerne (Bild: adele sansone)

Wie erntet man Samen?

Blumensamen ernten

Nach der Blüte beginnen die Samen zu reifen, auch bei den Blumen bezeichnet man das als Frucht. Es gibt Balgfrüchte, Hülsenfrüchte, Schoten, Kapseln, Nüsse, Spaltfrüchte.

Lässt man seinen Lieblingsblumen nun die Zeit die bestäubten Blüten abreifen zu lassen, kann man die Samen ernten.

 Samen müssen trocken sein!

Wichtig ist, dass erst dann geerntet wird, wenn sich die Samenhüllen oder Kapseln braun verfärbt haben. Erst dann ist die Saat reif. Bei trockenem Wetter Samen ernten, denn nasse Samen schimmeln später leichter. Ich lege die abgeernteten Samenkapseln einige Tage auf Papier und fahre erst dann fort mit dem Verarbeiten.

Zum Ernten der Samen einfach die braune Samenkapsel ablösen und öffnen. Die einzelnen Samen sind dann schon sichtbar und können vorsichtig herausgeschüttelt werden. Diese Saat nochmals zum Trocknen einige Tage auf Zeitungspapier/Küchenrolle/altes Baumwolltuch legen, damit die Restfeuchte entweichen kann.

Korbblütler

Sind die Samen ausgefallen, rubbelt man ganz behutsam mit der Hand die Hüllenreste ab. Man kann sie auch noch in ein nicht zu feines Sieb geben, dann fallen die Samen durch. So werden an den Resten haftende mögliche Keime mitentfernt.

Das gewonnene Saatgut füllt man dann in kleine beschriftete Schraubgläser mit einem kleinen Blatt Papier für die Restfeuchte und lagert sie an einem dunklen kühlen Ort. Man kann sie natürlich auch in kleine Papiersäckchen abfüllen, allerdings kann so eher Feuchtigkeit an die Samen geraten.

Gemüsesamen ernten

Gemüsesamen ernten

Einfach erklärt ist es am Beispiel  Chili. Man wählt eine reife Frucht (weicher Fruchtkörper). Dann schneidet man sie auf und löst die Kerne vorsichtig mit einem Löffel heraus. Ganz sauber schafft man das nicht. Also legt man die Kerne in lauwarmes Wasser. Nach ein bis zwei Tagen beginnt die Suppe zu gären.

Die Samenkerne schüttet man nun in ein Sieb und überbraust sie nochmals gründlich. Anschließend legt man die Kerne locker auf eine saubere Küchenrolle oder auch auf ein Baumwolltuch. An der Luft trocknen lassen. Sind sie ganz getrocknet, notfalls nochmals ein wenig wenden, kann man sie verpacken - ich gebe sie gerne in trockene Papiertüten - und beschriften. Dunkel und trocken aufbewahren, dann warten die Samen aufs erneute Aussäen.

Alternativ kann man auch die Samenkerne ausgelöst auf eine Küchenrolle legen und dort antrocknen lassen. Einfach später in Streifen schneiden, ohne die Saman abzulösen und dann mitsamt dem Papier auspflanzen.

So sind bei mir schon ganze Generationen feurigen Chilischoten entstanden.

Auch Koriander habe ich ganz simpel aus den angebotenen Würzsamen gezogen.

Koriandersamen

Korianderpflänzchen

Oft genügt es auch, ganz einfach ein "fauler Gärtner" zu sein, die Pflanzen blühen lassen, ein paar stehen und ausreifen lassen und sie säen sich selber aus. Simpel, aber effektiv.

 

Hülsenfrüchte sind noch problemloser, denn ihre Früchte sind ja die Samen, bei ihnen muss man nur einige Schoten an den Pflanzen hängen lassen. Die Pflanzen dann ausreißen und verkehrt herum zum Trocknen aufhängen. Dann die getrockneten Hülsen öffnen und die steinhart getrockneten Erbsen oder Bohnen aufbewahren.

Auch Gemüseblüten sind etwas Hübsches, denken Sie an Porree, Zwieben oder Schnittlauch. Sogar in der Vase sind sie ein netter Anblick. Genießen Sie einmal bewusst den Werdegang einer Gemüsepflanze, vom Samenkorn zur Frucht - bis zum neuen Samenkorn. Ein Erlebnis im eigenen Garten. Sie werden ihre Nahrungsmittel mit neuen Augen sehen.

Wie wäre es mal mit dem eigenen Kümmel-Anbau im Garten?

 

Kürbissamen? Leider nein. Abzuraten ist es aber leider bei Kürbisgewächsen

Der Bitterstoff Cucurbitacin ist aus Kürbisgewächsen wie Gurken und Zucchini herausgezüchtet worden. In Einzelfällen können sie aber durch Rückmutationen und Rückkreuzungen mit Zierkürbissen etwa aus Nachbars Garten das Gift enthalten. Das Gift löst die Schleimhaut im Magen-Darm-Bereich auf. "Das Hauptrisiko liegt im Kleingärtnerbereich, wenn die Gärtner mit eigenen Samen jedes Jahr wieder Zucchini/Gurken oder Kürbisse hochziehen"

Wie hier ausführlich erklärt, sollte man deshalb vor Samen aus eigener Kürbisernte Abstand nehmen, da es sich um Kreuzungen aus dem giftigen Zierkürbis (Curbitacin) und Speisekürbis oder Zucchinisorten handeln kann. Bittere Kürbisfrüchte bitte nie essen!

Rund um die Samen - Saatgutbörsen

Damit der Garten Spaß macht - Tipps zum Anbau von Blumen, Obst und Gemüse

  • Wählen Sie nur solche Pflanzen aus, die an ihrem Standort auch gut gedeihen.
  • Nehmen Sie Saatgut aus biologischem Anbau.
  • Probieren sie auch vergessenes Gemüse aus; es lohnt sich.

Portulak

 

 

  • Wichtig: Bei der Aussaat auf den richtigen Zeitpunkt achten. Sogenannte Kaltkeimer wie die Akelei werden schon im Herbst gesät, zweijährige Arten wie Fingerhut und Stockrose direkt nach der Ernte im Spätsommer.
  • Ernten sie im eigenen Garten wirklich erst, wenn die Frucht reif ist.
  • Ziehen sie aus den besten Pflanzen den Samen selbst.
  • Tauschen Sie mit befreundeten Gärtnern Samen und Pflanzen aus. Sie und ihre Nachbarn haben sicher Freude damit.
Adele_Sansone, am 03.05.2013
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Bildquelle:
https://pagewizz.com/users/Adele_Sansone (Was mache ich mit der Kräuterernte aus dem eigenen Garten?)
a.sansone (Wie macht man einen Frühlingsgarten?)
a.sansone (Was ist Phänologie? Gibt es mehr als nur vier Jahreszeiten?)
https://pagewizz.com/10-geschenk-tipps-f (10 Geschenke für Pflanzenfreunde)

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