Julfest statt Christfest

Das heidnische Julfest wird nach alter Tradition nicht am 24. Dezember gefeiert, sondern am 21. Dezember, dem Tag der Wintersonnenwende (auch Mittwinternacht). An diesem Tag passiert die Sonne den tiefsten Punkt ihrer Jahresbahn, es ist der kürzeste Tag und die längste Nacht des Jahres. In der mitteleuropäischen Zeitzone beginnt der Winter.

Die gute Nachricht: Vom 21. Dezember an werden die Tage endlich wieder länger, allmählich kehrt das Licht zurück. Deshalb feierten die heidnischen Völker schon vor vielen Jahrhunderten an diesem Tag die Wiedergeburt bzw. die Wiederkehr der Sonne.

Dieses Lichtfest oder Sonnenfest wird auch als Julfest bezeichnet. Die Sonne gilt als Symbol für das Jol (Rad) und den Jahreskreis. Das Julfest ist ein Fest der Lebenskraft und der Hoffnung.

Die frohe Botschaft der Julzeit

Dunkle Zeiten haben auch ein Ende. Es gibt eine Zukunft!

Tatsächlich ist es ein kleines (oder sogar großes?) Wunder: Das im Winter tot geglaubte Leben wird im Frühjahr von neuem erwachen, das Leben überwindet den Tod. Die Saat in der Erde lässt uns schon auf die Ernte im nächsten Jahr hoffen. Wir dürfen Träume haben und Pläne schmieden.
Die kahle und triste Landschaft wird wieder bunt und fruchtbar werden.

Selbst im kältesten, dunkelsten Winter wissen wir: Tief in der Erde tut sich bereits etwas, unsichtbare Kräfte sind am Werk.

Wir Menschen können dieses Wirken der Natur durch unser Zutun kaum steuern oder beeinflussen: Ein guter Zeitpunkt, um etwas Demut und Ehrfurcht der Natur gegenüber zu zeigen.

Julfest feiern, das bedeutet, im Einklang mit der Natur zu sein.

Das Julfest und seine Bräuche

Wer sich mit den alten heidnischen Weihnachtsbräuchen näher beschäftigt, der wird merken: Vieles davon wirkt bekannt und vertraut! Im Laufe der Jahrhunderte haben christliche Herrscher heidnische Weihnachtstraditionen übernommen, sie umbenannt oder umgedeutet, damit aus dem heidnischen Julfest das christliche Weihnachtsfest entstehen konnte.

  • Die typischen Jul-Farben sind Rot, Grün und Gold. Rot ist die Farbe der Menschen und Tiere, steht für Leben und Liebe. Grün symbolisiert die Natur, die Fruchtbarkeit und die Hoffnung. Gold ist die Sonne: Rund, hell und leuchtend.

  • Advent: Die Zeit vor der Wintersonnenwende war für die Menschen stets eine stille Zeit, sie gab Gelegenheit zur Rückschau auf das vergangene Jahr und zum Gedenken an die Ahnen. In der Adventszeit konnte man "auftanken", sich einen Teil der Lebensenergie wieder zurückholen, die man im vergangenen Jahr verbraucht hatte. Nicht die vier Sonntage vor dem 24. Dezember gelten dabei als Adventszeit, sondern die vier Wochen vor der Wintersonnenwende. Dabei symbolisiert jede Woche einen Abschnitt des vergangenen Jahres: Die 1. Woche den vergangenen Winter, die 2. Woche das Frühjahr, die 3. Woche den Sommer und die 4. Woche den Herbst. Dafür stehen auch die vier roten Kerzen des Adventskranzes.

  • Adventskranz oder "An-der-Wend-Kranz"? Nach heidnischer Tradition soll der Adventskranz (auch Vorweihnachtskranz) ein Symbol für den Jahreskreis sein, für den Sonnenlauf und die Wiedergeburt der Sonne. Entstanden ist die Tradition vermutlich aus dem Winden der Kränze zum Gedenken an die Ahnen.

  • Auch Kerzen symbolisieren das Licht der Sonne. Weitere Sonnensymbole sind außerdem alle Kreis- und Bogenformen, die Brezel, die Schnecke und die Spirale. 

  • Der geschmückte Weihnachtsbaum erinnert an alte Fruchtbarkeitssymbole und an die Opfergaben, die man zum Julfest den Göttern bereitete. Besonders der Apfel spielt eine wichtige Rolle, er steht für Fruchtbarkeit, Nahrung und Leben. Den Germanen galt er außerdem als Symbol für Unsterblichkeit. Die erst viel später entstandene Tradition, den Weihnachtsbaum mit bunten Kugeln zu schmücken, hat den Apfel als Weihnachtsbaumdekoration allmählich abgelöst.

  • Gebäck schmeckt nicht nur gut, sondern diente den Menschen in früherer Zeit auch als wichtiger Energielieferant während der kalten, für den Körper so belastenden Wintermonate. Die Form des Julgebäcks lässt erkennen, welche Dinge für unsere heidnischen Vorfahren eine wichtige Rolle spielten: Radkreuz, Sonne und Stern, Tanne, Reiter, Hahn (als Künder des Lichts), Hase, Herz oder (Knecht) Ruprecht. Die Stolle zu Weihnachten erinnert an den gespickten Rücken des Julebers, ein wichtiges Opfertier der Germanen, und wurde zu Ehren des germanischen Gottes Freyrs, des Fruchtbarkeitsgottes, gebacken. Die Weihnachtsnacht, die Geburtsnacht der Sonne, nannte man früher auch die Mütternacht. Figuren wie das Wickelkind, zum Beispiel als Lebkuchenmodell oder Weihnachtsstollen, sind ebenfalls typische Symbole dieses Brauchtums.

  • Traditionelle Leckerbissen der Julzeit sind außerdem frisches oder getrocknetes Obst, Nüsse und Pilze. So wie die Samen in der Erde schon auf neues Leben hinweisen, sind diese lebensspendenden Samen auch in Äpfel und Nüssen veborgen.

  • Die Weihnachtspyramiden und Lichterbögen aus dem Erzgebirge sollen ebenfalls auf eine alte, vorchristliche Tradition zum Lichterfest zurückgehen. Lichttragende Figuren wie der Engel und vor allem der Bergmann erinnern daran, dass vor allem für die Bergleute unter Tage das Licht der Sonne besonders wichtig war.

  • Heute kennen die meisten den 6. Dezember als Nikolaustag, als Ehrentag des Nikolaus von Myra, eines Heiligen der katholischen Kirche. Vermutet wird, dass die Germanen bereits in vorchristlicher Zeit diesen Tag ihrem Gott Wotan gewidmet haben, dem Gott der Ahnen, dem Vermittler zwischen Mensch und Götterwelt. Man kennt Wotan als Verwandlungskünstler – er kann in Tiergestalt auftreten oder als alter Mann mit langem weißen Bart. Wotan - auch Odin - war in der Gestalt des Oski als Wunscherfüller unterwegs. Ein Schlag mit seiner Rute galt nicht als Bestrafung, sondern als Fruchtbarkeitssegen.

Rituale zum Julfest

Warum nicht mal umgekehrt? - In der Adventszeit werden zuerst alle Kerzen angezündet, dann jede Woche eine weniger: Sie symbolisieren das sterbende Licht in der dunklen Zeit vor der Wintersonnenwende. Am 21. Dezember werden dann alle Kerzen wieder angezündet und der Neuanfang gefeiert.

Auch so macht man sich die dunkle Winternacht heller: In der Mittwinternacht gegen Mitternacht eine oder mehrere Kerzen anzünden. (Vielleicht für jeden Monat eine?) Wenn möglich, so sollte eine Kerze die ganze Nacht hindurch leuchten, um damit die Wiederkehr des Lichts zu unterstützen und guten Geistern den Weg zu weisen.

Das Haus oder die Wohnung wird zur Julfeier festlich dekoriert und mit immergrünen Pflanzen oder einem Tannenbaum geschmückt. Ursprünglich wollte man damit die bösen Geister vertreiben und die guten Geister einladen. Auch die Geister der Ahnen sollen sich in dieser angenehmen Atmosphäre wohlfühlen können. Der Weihnachtsbaum symbolisiert dabei den Weltenbaum, den Baum des Lebens.

Wer zum Julfest keinen Baum fällen möchte, der kann sich mit der Lebenskraft der Bäume auch durch Räucherungen verbinden. Gut geeignet sind Salbei, die Beeren von Weißdorn, Holunder oder Eberesche, Eichenrinde und Eichenblätter, die Wurzeln von Engelwurz oder Atlant, das Holz und die Nadeln vom Wacholder.

Auch der Julbogen ist Teil des Lebensbaumes, er symbolisiert die Krone. Man schnitzt ihn traditionell aus dem Holz von schnell wachsenden, heilkräftigen Bäumen wie Hasel, Birke, Linde, Kirsche, Flieder oder Wacholder, schmückt ihn mit Misteln, Efeu, Tannenbaumzweigen oder Buchsbaum, verziert ihn mit Gebäck. Auch der Julbogen wird mit vier roten Kerzen geschmückt.

Durch das Opferns eines Julbocks aus Stroh oder Teig versucht man, die Götter milde und gnädig zu stimmen.

Ein alter Brauch ist es, am 4. Dezember Zweige von Obstbäumen in eine Vase zu stellen, damit diese bis zum Weihnachtsfest blühen konnten. Damit drückte man die Hoffnung und Vorfreude auf neues Leben im neuen Frühjahr aus. 

Das Julfeuer war früher ein besonders wichtiger Teil der Festlichkeiten: Das ganze Dorf feierte auf einem heiligen Berg, Feuerräder rollten den Hügel hinab, die Glut des Julfeuers fachte die Öfen der Dorfbewohner an. Ein Julfeuer kann man auch in der Mittwinternacht an einer geschützten Feuerstelle im Garten mit Familie und Freunden brennen lassen. Und wenn das nicht möglich ist: Kerzen sind immer ein guter Ersatz! 

Julklapp nennt man das Austauschen von kleinen Geschenken, die man originell verpackt und mit kleinen Versen versieht.

Zum Julfest ist es Tradition, auch der Natur und den Tieren etwas Gutes zu tun, zum Beispiel Samen und Nüssen auszulegen. Ein wertvoller Gedankenanstoß kommt von Frau Birkenbaum: Warum zur Feier des Tages nicht einmal auf den Festtagsbraten verzichten und die Gelegenheit nutzen, "durch diesen kleinen Verzicht ein großes Leben zu retten"?

Die Julzeit ist eine gute Gelegenheit für Orakel und Weissagungen.

Symbolisch kann auch ein Samen in die Erde gelegt werden, damit Träume und Pläne für das kommende Jahr wachsen können.

Eigene Rituale entwickeln

Die Vorweihnachtszeit sollte nicht stressig und hektisch sein, sondern bereichernd und wohltuend.

Warum also nicht einmal etwas ganz Neues ausprobieren, ein Ritual erfinden, das den eigenen Wünschen und Bedürfnissen entspricht? Meistens weiß man selbst am besten, was einem gerade besonders gut tun würde.

Anregungen gesucht? Die Julzeit ist eine gute Zeit …

  • für einen Rückblick auf das vergangene Jahr, für Dankbarkeit und Versöhnung

  • um sich von alten Dingen zu trennen, Ballast und Belastendes loszulassen

  • um das Alte gehen zu lassen und sich auf das Kommende vorzubereiten

  • um Wünsche und Bitten für das neue Jahr zu äußern, die Zukunft in gute neue Bahnen zu lenken

  • um eine Jahreskarte zu ziehen und zu schauen, welches Thema für das neue Jahr wichtig sein wird

  • um in sich zu gehen, neue Kräfte zu sammeln

  • um beisammen zu sein, sich gegenseitig zu schützen und zu stützen

  • für ein liebevolles Gedenken an verstorbene Familienangehörige, Freunde oder geliebte Haustiere

  • um sich mit dem eigenen Inneren zu beschäftigen, sowohl die hellen als auch die dunklen Seiten seines Wesens anzunehmen

Feiern bis in den Januar ...

Nach altem Brauch dauert das Weihnachtsfest 12 Nächte lang: Auf die Wintersonnenwende, die Wiedergeburt der Sonne, folgen die 12 magischen Rauhnächte. Das sind die heiligen 12 Nächte um den Jahreswechsel, auch "Zwölften" oder "Die wilde Jagd" genannt.

Wer Gefallen am Brauchtum um das Lichterfest gefunden hat, der kann also bis zum sogenannten Hochjul am 6. Januar weiterfeiern!

Michaela, am 14.11.2017
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Bildquelle:
M. Steininger - Die Persönliche Note (Weihnachten vegan feiern – die leckersten Rezepte für ein tierfreun...)
Bildautor: Vera Kratochvil (Interessantes und Kurioses rund um alte deutsche Weihnachtsbräuche)

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