Linnée und Species plantarum - anno 1753

Was ist in aller Munde?

Beginnen wir mit trockenen Fakten:

  • 270.000 höhere Pflanzen gibt es in etwa
  • 75.000 davon sind essbar
  • 4.800 davon werden gärtnerisch genutzt,

aber nur

  • 160 in größerem Umfang auch angebaut.
  • 20 davon ernähren 90% der Weltbevölkerung.

Was landet als Gemüse auf unserem Teller? Verblüffend wenig.

Ein enormes Ungleichgewicht, das gerade bei den alljährlichen Hungerkatastrophen doch sehr zum Nachdenken führt, ob man durch all unsere biologisches, botanisches und genetisches Wissen, nicht doch effektiv etwas gegen diese Hungersnöte unternehmen könnte. Aber das ist ein anderes Kapitel!

 

Die Nahrungspflanzen unserer Ahnen - die Paleo-Diät lässt grüßen

Würde man die Paleodiät in Europa wirklich rigoros verfolgen, dann dürfte man sich höchstens an die ersten Kulturpflanzen aus Urzeiten halten, die da sind:

  • Gerste (als erstes kultiviertes Süßgras)
  • Einkorn und Emmer,
  • Mohn-und Leinsamen (die ersten ölhaltigen Früchte)
  • Linsen, Pferdebohnen
  • Meerkohl oder Grüner Krauskohl
  • ... und ganz viel Fleisch, aber selbst erlegt. Na dann, Mahlzeit!

Steinzeitaxt (Bild: Allmann / Pixabay)

Nachsatz: Sämtliche "Neuweltpflanzen" und neumodisches Superfood hätten hier absolut nichts zu suchen!

Gemüsevielfalt - Familieneinfalt?

Salate, Möhren, Zwiebel - Korbblütler, Doldengewächse, Lilien (Bild: a.sansone)

Umgerechnet auf die rund 300 bekannten Pflanzenfamilien sind es nur ganz wenige, deren Produkte es auf unseren Speiseteller als Gemüse schaffen.

Anmerkung: Die große Familie der Gräser Poaceae (Getreide, Reis, Mais ...) wird hier nur erwähnt. Auch die Obstlieferanten, großenteils aus der Familie Rosengewächse (Rosaceae), werden hier außer Acht gelassen.

Aus diesen Top Ten der Pflanzenfamilien stammt unser Gemüse her!

1) Fabaceae - Leguminosen, Hülsenfrüchte

Die Fabaceae/Schmetterlingsblütler sind eine der artenreichsten Pflanzenfamilien und nach den Getreidearten (Poaceae - Gräser) die zweitwichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. Wer sich jemals fleischlos ernähren will, kann an ihnen nicht vorbei gehen, denn sie sind die Protein-Lieferanten unter den Gemüsen.

Seit wann essen wir Hülsenfrüchte?

Sie zählen zu den ältesten bekannten Nahrungspflanzen. Für die Mayas waren es die Bohnen, für China die Sojabohne, die alten Ägypter schworen auf Erbsen und Linsen; die alten Germanen begnügten sich mit den Saubohnen.

Welches Gemüse gehört nun dazu?

Interessant, dass die so beliebte Gartenbohne (ebenso wie die Kartoffeln, Mais oder Tomate) aus Übersee zu uns gelangt ist; daher auch die Bezeichnung "neuweltliche Bohnen". Die Gattung Phaseolus (=Fisole!) zählt dazu. Ursprünglich als Zierpflanze gedacht, später erst traute man den Erfahrungen der Indios, die das Gift (Lektine) durch Kochen zerstörten.

  • Feuerbohne Phaseolus coccineus,
  • Gartenbohne Phaseolus vulgaris: Es gibt eine Vielfalt an Formen: Buschbohne, Stangenbohne, Kidney-Bohne = Nierenbohne, Perlbohne, Wachtelbohne, Schwarze Bohne, Weiße Bohne.

Diese Arten und Sorten stammen aus der alten Welt:

  • Erbsen Pisum sativum
  • Linsen Lens culinaris
  • Dicke Bohnen, Saubohnen Vicia faba

Sie kommt aus dem asiatischen Raum:

  • Sojabohne Glycine max

Verbreitung
Diese Pflanzenfamilie ist ein Kosmopolit und nur in der Antarktis nicht anzutreffen. Es gibt Vertreter in den Tropen, in Wüsten, an Küsten und in Gebirgen.

Kreuzblüten

2) Brassicaceae, Kreuzblütler, nicht nur die Kohlsuppe ist hier vertreten

Den Namen verdanken die Kreuzblütengewächse ihrer Blütenform, weil die vier Kronblätter der Blüte in der Form eines Kreuzes angeordnet sind.

Seit wann essen wir Kreuzblütler?

Nicht erst seit dem Diätklassiker "Kohlsuppe" findet er sich auf unserem Tisch. Der "Urkohl" Brassica oleracea wurde vor etwa 8.000 Jahren an den Küstengebieten Nordeuropas kultiviert. Zeitweise geliebt, dann wieder jahrelang geschmäht und nun wieder in. Seit die Smoothiewelle zu uns geschwappt ist, wieder in aller Munde - äh im Trinkglas.

  • Weißkohl, Wirsing, Spitzkohl Brassica oleracea var.
  • Grünkohl
  • Chinakohl
  • Rosenkohl
  • Brokkoli
  • Blumenkohl
  • Kohlrabi
  • Steckrübe, Kohlrübe Brassica napus
  • Rübsen Brassica rapa mit dem Teltower Rübchen
  • Radieschen und Rettich Raphanus sativus
  • Rauke/Rucola Eruca sativa
  • Kresse Lepidium sativum

Vorkommen:

Weltweit, verstärkt auf der nördlichen Hemisphäre. 

Mehr zu den Kreuzblütengewächsen

Giftige Vertreter aus der Nachtschattenfamilie

Stechapfel (Bild: a.sansone)

3) Solanaceae, die Nachtschattengewächse stellen sich vor

Seit wann stehen Kartoffeln und Co auf unserem Speiseplan?

Hier finden sich die eingewanderten Gemüsearten, die auf unserem Speiseplan erst mit der Entdeckung der Neuen Welt landeten; ihrer Beliebtheit hat das aber nicht geschadet. Kartoffeln wurden von Peru nach
Spanien gebracht; Chilis/Paprika gelangten von Südamerika nach Indien; Tomaten wurden aus Südamerika nach Europa gebracht. Heute ist die Tomate die am meisten verwendete und variantenreichste Gemüsefrucht in Europa.

Verbreitung
Vertreter dieser Familie sind weltweit anzutreffen, vermehrt in tropischen und subtropischen
Regionen, speziell in Lateinamerika und Australien.

Achtung: Die heimischen Vertreter der Nachtschattengewächse zählen nicht unbedingt zu unserem Nahrungsspektrum, denn unter ihnen befinden sich gefürchtete Giftpflanzen wie Tollkirsche, Bilsenkraut oder Stechapfel.

Mehr zu den Nachtschattengewächsen

Doldenblütler

Blütendolde vom Pastinak (Bild: https://pagewizz.com/welche...)

4) Apiaceae, Doldengewächse, ob Samen oder Wurzel, die sind fast auf jedem Tisch

Hier sind vorwiegend heimische Gemüsesorten in Beet und auf dem Markt.

Seit wann essen wir Doldenblütler?

Von der Steinzeit her bis zu den Römern wurden sie bereits geliebt und kultiviert. Diese Familie beinhaltet neben den Gemüsesorten

  • Möhren/Karotten Daucus carota
  • Pastinake Pastinaca sativa
  • Sellerie-Stangensellerie und Knollensellerie Apium graveolens
  • Wurzelpetersilie Petroselinum crispum
  • Gemüsefenchel Foeniculum vulgare

auch Kräuter wie Anis, Dill, Kümmel oder Koriander.

Vorkommen: Arten aus dieser Familie finden wir auf der ganzen Welt. Etwa zwei Drittel der Arten finden wir in der "alten" Welt. 

5) Amaryllidaceae, Narzissengwächse und die Unterfamilie Alliaceae

Narzissen- oder Amarylliszwiebel sind giftig, diese Zwiebelchen essen wir allerdings seit altersher. Römer, Griechen, Asiaten.

6) Chenopodiaceae, Gänsefüßchen, sind nicht nur Anführungszeichen

Auch wenn sie heute als Unterfamilie zu den Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae) gezählt werden, sind sie in den meisten Köpfen noch als eigene Familie, den Gänsefußgewächsen (Chenopodiaceae) verankert. So wertvolle Gemüse wie:

 

Kürbisgewächse lassen grüßen

Flaschenkürbis (Bild: https://pagewizz.com/welche...)

7) Cucurbitaceae, Kürbisgewächse

Viele Pflanzen dieser Familie sind Kletterpflanzen.

Seit wann kennen wir die Kürbisgewächse?

Die tropischen Vertreter dieser Familie gehören zu den am längsten kultivierten Pflanzen überhaupt – in der Neuen und Alten Welt. Kürbisse der Art Cucurbita moschata wurden so gegen 5.000 vor Christus in Mexiko kultiviert. Gurken Cucumis werden ebenfalls schon seit über 3.000 Jahren kultiviert und waren damals bereits Bestand in der griechischen und römischen Küche. 

Verbreitung:
Besonders in den tropischen Gebieten der Alten und Neuen Welt verbreitet.

Schwarzwurzel (Bild: https://pagewizz.com/schwar...)

8) Asteraceae, Korbblütler - wo der Salat her kommt

Seit wann essen wir Korbblütengewächse?

Auch hier stehen viele Pflanzen bereits seit Jahrtausenden auf dem Speiseplan. Auch viele Heilpflanzen und Kräuter zählen dazu.

Die Urform unserer Salatvielfalt geht auf gerade mal zwei Gattungen der Korbblütler zurück. Die leicht bitteren Sorten stammen aus der Gattung Cichorium und die eher geschmacksneutralen aus der Gattung Lactuca. Urmama/Urpapa könnte der Kompass-Lattich Lactuca serriola gewesen sein. Römischer Salat, Kopfsalat, Eisberg-Salat, Schnittsalat, Eichblattsalat oder Pflücksalat gehören dazu. 

  • Salat Lactuca sativa - Römischer Salat, Kopfsalat, Eisberg-Salat, Schnittsalat, Eichblattsalat oder Pflücksalat gehören dazu. 
  • Chicorée Cichorium intybus (Zuckerhut, Chicorée, Radicchio) 
  • Endivien Cichorium endivia
  • Schwarzwurzel Scorzonera hispanica
  • Artischocke Cynara scolymus
  • Topinambur Helianthus tuberosus
  • Sonnenblume Helianthus annuus streuen wir dann als geröstete Kerne darüber.

Vorkommen:

Die Familie der Korbblütler/Korbblütengewächse ist weltweit auf allen Kontinenten, außer Antarktika und in allen Klimazonen vertreten. In Europa gehört sie zu den artenreichsten Pflanzenfamilien.

Mediterrane Kräuter - Lippenblütler

Basilikum (Bild: a.sansone)

9) Lamiaceae, Lippenblütler, denn viele Kräuter gehören in diese Familie

Als Gemüselieferant kommt nur der Knollen-Ziest (Stachys affinis/sieboldii) in Frage.

Da aber ein Gutteil unserer beliebten Gewürze zu dieser Familie zählt, führe ich sie dennoch an. Was wäre das Kochen ohne mediterrane Gewürze?
Die Familie ist bekannt für ihre ätherischen Öle. Gewürze wie Basilikum, Minze, Oregano, Thymian, Zitronenmelisse, Rosmarin, Majoran oder Salbei zählen dazu.

Seit wann verwenden wir Lippenblütler zum Würzen?

Ein Gutteil dieser Pflanzen wird seit über 5.000 Jahren kultiviert. Es gibt zahlreiche Nachweise über deren Verwendung im alten Ägypten, in China und Indien.

Verbreitung
Diese Pflanzenfamilie kommt in den verschiedensten Gebieten und Höhenlagen vom Himalaja bis in die Arktis vor. Nur in der Antarktis ist sie nicht zu finden. Im mediterranen Raum, etwa auf Sardinien, gibt es besonders viele verschiedene aromatische Vertreter.

 

Getreide-Vielfalt (Bild: https://pagewizz.com/welche...)

10) Poaceae, die Süßgräser

Auch wenn ich hier nicht näher darauf eingehe: Viele Arten der Süßgräser gehören zu den ältesten Nutzpflanzen überhaupt. Sie sind für den Menschen von lebenswichtiger Bedeutung. Alle Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse, Mais und Reis zählen zu dieser Pflanzengruppe. 

Weiterführende Links zum Thema Getreide/Süßgräser

Unseren Nahrungspflanzen mal botanisch in den Rachen geguckt

Wer, so wie ich, Spaß hat am Nachforschen hat, findet in den angeführten Artikeln so manche Antwort auf Fragen, die er/sie sich möglicherweise noch gar nie gestellt hat:

Quellen

... neben eigenem Wissen Nachforschungen in

  • Heil-, Gewürz-, Nutz- und Giftpflanzen im Botanischen Garten der Universität Innsbruck, Bortenschlager/Vergörer, Innsbruck 2004
  • Die Weltgeschichte der Pflanzen, Seidel,, Eichborn, Köln 2012
  • Schmeil: Pflanzenkunde, Heidelberg 1966;
  • Liste der Gemüse
Adele_Sansone, am 07.02.2016
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Bildquelle:
https://pagewizz.com/was-essen-wir-eigen (Was essen wir eigentlich? Wurzel, Frucht oder gar die Blüte?)
Stefan.lefnaer (Portulak - eine vergessene Gartenpflanze - Gemüse und Heilkraut)
a.sansone (Wie kocht man frischen Spinat?)

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